06.02.2012

Plexiglas lässt sich Zeit beim brechen

In spröden Werkstoffen breiten sich Mikrorisse langsamer aus als bisher angenommen.

Spröde Werkstoffe, wie zum Beispiel Glas, brechen durch die Ausbreitung von Rissen. Um das Bruchverhalten solcher Werkstoffe voraussagen zu können, müssen sowohl die Rissausbreitungsgeschwindigkeit als auch die Ursachen für die Risse bestimmt werden. Bisher beruhten die theoretischen Kenntnisse auf einer Maximalgeschwindigkeit, die der Rayleigh-Geschwindigkeit entspricht, der Geschwindigkeit der akustischen Oberflächenwellen im Material: rund 900 Meter pro Sekunde. Wie französische Forscher nun nachweisen konnten, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Mikrorissen, die durch Materialdefekte entstanden sind, viermal langsamer, als bisher angenommen.

Abb.: Die Felder (A) und (B) zeigen einen nach rechts fortschreitenden Bruch, bei dem sich die charakteristische konische Strukturen bilden. (C) und (D) zeigen Aufnahmen von gebrochenem Plexiglas (Polymethylmethacrylat, PMMA) mit unterschiedlicher Flächendichte an Bruchzentren (rote Punkte; Bild: Guerra et al., PNAS)

Für ihre Untersuchungen zerbrachen die Forscher Plexiglas-Proben mit einem unterschiedlichen Kraftaufwand. Wie erwartet brachen die Proben schneller mit zunehmendem Kraftaufwand. Ab einer bestimmten Bruchgeschwindigkeit wird die Rissausbreitung von einer Vielzahl von Mikrorissen, die auf die winzigen Materialdefekte zurückzuführen sind, die im Material immer vorkommen, vor der Hauptrissfront begleitet. Pro Sekunde bilden sich Hunderte Millionen solcher Mikrorisse, was die Beobachtung eines einzelnen Risses in Echtzeit unmöglich macht. Jeder Mikroriss hinterlässt jedoch eine Spur auf den Bruchoberflächen, so dass die Forscher sie im Anschluss von den Forschern analysieren konnten.

Die Forscher haben festgestellt, dass sich alle Mikrorisse mit der gleichen Geschwindigkeit ausbreiten (ca. 200 m/s) und zwar unabhängig vom eingesetzten Kraftaufwand. Im Vergleich dazu erhöht sich auf mikroskopischer Ebene die Bruchgeschwindigkeit mit zunehmendem Kraftaufwand auf bis zu 500 m/s. Solche Werte werden durch die Verschmelzung der Mikrorisse mit dem Hauptriss erreicht. Diese Ergebnisse widerlegen die bislang vorherrschende Theorie, das die zusätzliche Energiedissipation bei der Entstehung von Mikrorissen den Bruch des Bauteils verlangsamen würde.

Somit konnten die Forscher den Einfluss mikroskopischer Defekte in einem Material auf dessen Bruchverhalten nachweisen. Diese Ergebnisse ebnen neue Wege zur Verbesserung von Materialeigenschaften wie etwa die Bruchfestigkeit.

gouv.fr / OD

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