Prozesskontrolle mit Sensorkugeln
Kompakte Detektoren sollen Vorgänge in Bioreaktoren genauer verfolgen.
Die richtige Temperatur entscheidet darüber, wie gut sich Mikroorganismen oder Zellen in einem Bioreaktor kultivieren lassen. Obwohl sich die Wärme im Reaktor unterschiedlich verteilt, ist die Temperatur bisher nur punktuell mit Stabsonden messbar, die durch vordefinierte Löcher gesteckt werden. „Mit unseren mobilen, etwa erbsengroßen Sensorkugeln können wir die Temperatur an vielen Orten gleichzeitig erfassen. Dadurch ist es möglich, die Wärmezufuhr exakt so zu regulieren, dass sie für den Herstellungsprozess optimal ist“, sagt Tobias Lüke, der die neuen Sens-o-Spheres-Messkugeln am Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS in Kooperation mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Dresden und Projektpartnern aus der Industrie entwickelt hat.
Abb.: Sensorkugel: Mit der miniaturisierten Funkschaltung im Innern der Kugel lassen sich die Messdaten live an eine Basisstation übermitteln. (Bild: Fh.-ENAS)
„Bei einem Liter sind die Temperaturunterschiede innerhalb eines Reaktors noch nicht so groß. Bei mehreren tausend Litern wächst der Fehler jedoch erheblich. Mit unserer präzisen Messtechnik gibt es weniger Probleme beim Upscaling der Volumina, also der Umstellung von kleinen Test-Reaktoren im Labor auf große in der Produktionshalle.“ Ein weiterer Vorteil der Sens-o-Spheres: Während Stabsonden durch Kabel gebunden sind, sind die Kugeln mit einer aufladbaren Batterie ausgestattet. „Der Installationsaufwand ist daher gering. Die Sens-o-Spheres schwimmen einfach im Medium, so stören sie beispielsweise auch nicht beim Umrühren. Außerdem können sie sowohl problemlos in kilometerlangen Röhrenreaktoren und anderen innovativen Reaktortypen als auch in klassischen Kleinkultivierungsgefäßen wie dem Schüttelkolben eingesetzt werden. Gängige Messsysteme stoßen hier an ihre Grenzen“, erklärt Lüke.
Die erfassten Daten werden per Funk live an eine Basisstation übertragen. Dabei ist jeder Messwert einer bestimmten Kugel zugeordnet, denn jede verfügt über eine eigene ID. Je mehr Kugeln, desto höher die Messgenauigkeit. Eine Faustformel dafür, wie viele Kugeln notwendig sind, gebe es jedoch nicht. Es gelte: So viele Kugeln wie nötig, so wenige wie möglich. Nach ihrem Einsatz können die Kugeln problemlos im Autoklaven sterilisiert werden, denn die Elektronik ist robust und zudem sicher von einer Kapsel aus Polypropylen umschlossen – weder Feuchtigkeit noch hohe Temperaturen von rund 120 Grad Celsius und mehr, wie sie beim Autoklavieren üblich sind, können ihr etwas anhaben. Die Kugeln können daher steril gehalten, mit Hilfe eines speziell entwickelten induktiven Batterieladesystems aufgeladen und wiederverwendet werden.
Bald sollen die Messkugeln nicht nur die Temperatur, sondern auch den Sauerstoffgehalt und den pH-Wert erfassen können. „Außerdem wollen wir die Basisstation mit dem Gesamtsystem verbinden. Dann könnte der Herstellungsprozess aufgrund der gemessenen Werte automatisch geregelt werden. Die Kugeln sollen zudem geortet werden können, so dass man genau weiß, wo der Messwert erfasst wurde“, sagt Lüke. Die Messkugeln sind nicht nur für die mikrobiologische Kultur- und Prozessentwicklung im Labor ideal, sondern könnten auch in der Arzneimittelherstellung, der Umweltmesstechnik oder beim Screening in der Medizin zum Einsatz kommen.
FhG / JOL