Qualität statt Quantität - DFG setzt Regeln gegen Publikationsflut in der Wissenschaft
Wissenschaftler sollen in Förderanträgen und Abschlussberichten nur noch wenige und besonders wichtige Veröffentlichungen angeben.
Wissenschaftler sollen in Förderanträgen und Abschlussberichten nur noch wenige und besonders wichtige Veröffentlichungen angeben.
Unter dem Motto „Qualität statt Quantität“ schlägt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Pflöcke gegen die Publikationsflut in der Wissenschaft ein. Deutschlands zentrale Forschungsförderorganisation stellte neue Regelungen für Publikationsangaben in Förderanträgen und Abschlussberichten vor, die vom 1. Juli 2010 an gelten. Sie sehen im Kern vor, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Anträgen und Berichten an die DFG künftig statt beliebig vieler Veröffentlichungen nur noch wenige, besonders aussagekräftige Publikationen als Referenz nennen dürfen. So soll die immer größere Bedeutung von Publikationsverzeichnissen und numerischen Indikatoren verringert werden. Zugleich soll die eigentliche Beschreibung des Forschungsprojekts mehr Gewicht erhalten. „Damit wollen wir zeigen: Es sind die Inhalte, auf die es uns bei der Bewertung und Förderung von Wissenschaft ankommt“, sagte DFG-Präsident Matthias Kleiner bei der Präsentation der Regelungen in Berlin.
Die neuen Regelungen wurden kürzlich auf Vorschlag des DFG-Präsidiums vom Senat der DFG beschlossen und vom Hauptausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen. Sie betreffen zwei zentrale Stellen in Förderanträgen und Abschlussberichten: die Literaturangaben zum wissenschaftlichen Lebenslauf der Antragstellerin oder des Antragstellers sowie die Literaturangaben, die einen direkten Bezug zum beantragten oder bearbeiteten Forschungsprojekt haben.
Bei ihrem wissenschaftlichen Lebenslauf dürfen Antragsteller künftig insgesamt maximal fünf Veröffentlchungen anführen – „eben jene fünf, die sie selbst für die wichtigsten ihrer gesamten wissenschaftlichen Arbeit halten“, wie DFG-Präsident Kleiner unterstrich. Bei den Publikationen mit direktem Bezug zum jeweiligen Projekt dürfen künftig pro Jahr der Förderperiode nur zwei Veröffentlichungen angeführt werden. Ein Wissenschaftler, der in der Einzelförderung Fördermittel für drei Jahre beantragt, darf hier also bis zu sechs seiner Veröffentlichungen nennen. Bei mehreren Antragstellern können pro Jahr bis zu drei Veröffentlichungen angegeben werden.
In allen Fällen sollen nur Publikationen genannt werden, die bereits veröffentlicht sind oder deren Veröffentlichung unmittelbar und nachweisbar bevorsteht; letztere müssen daher als Manuskript und mit einer Annahmebestätigung des Herausgebers eingereicht werden. Manuskripte, die nur zur Veröffentlichung eingereicht, aber noch nicht angenommen wurden, dürfen nicht mehr aufgeführt werden.
Im Gegenzug zu diesen Begrenzungen soll der eigentliche Hauptteil des Antrags wieder wichtiger werden, also die Schilderung dessen, was Antragsteller erreichen wollen und hierzu bereits an eigenen Arbeiten geleistet haben. Dieser Hauptteil soll aus sich selbst heraus verständlich sein und so zur Grundlage für die Begutachtung und Bewertung des Forschungsprojekts werden.
Mit diesen Regelungen will die DFG der seit Jahren steigenden Bedeutung quantitativer Faktoren im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Publikationen entgegenwirken. „Ob bei der leistungsorientierten Mittelvergabe, bei Habilitationen und Berufungen und auch bei den Bewertungen von Förderanträgen – überall haben numerische Indikatoren wie der Hirsch-Faktor oder der Impact-Faktor immer mehr Gewicht bekommen. Oft lautet die erste Frage eben nicht mehr, was jemand erforscht hat, sondern wo und wie viel er publiziert hat. Das übt einen außerordentlich starken Druck auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus, möglichst viel zu publizieren. Und es verleitet immer wieder zu Fällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, in denen falsche Angaben zum Stand einer Veröffentlichung gemacht werden. Das alles schadet der Wissenschaft“, betonte der DFG-Präsident.
Die Fehlverhaltens-Fälle seien jedoch nicht ausschlaggebend für die jetzt beschlossenen Regelungen gewesen, die Überlegungen hierzu hätten bereits früher eingesetzt und gingen deutlich darüber hinaus, sagte Kleiner, der hier auch auf ähnliche Regelungen in anderen Ländern verwies. So sollen in den USA bei Anträgen an die National Science Foundation nur noch bis zu fünf Publikationen mit Bezug zum beantragten Projekt und bis zu fünf weitere Publikationen angegeben werden, bei den National Institutes of Health insgesamt maximal 15 Publikationen.
Die neuen Regelungen werden nach Ansicht der DFG die Arbeit vieler Tausender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verändern. Pro Jahr gehen bei der DFG inzwischen mehr als 20 000 Anträge ein. „Bei allen Anträgen müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künftig viel stärker auswählen, sie müssen sich beschränken und, wenn man so will, auch bescheiden“, sagte Kleiner. Verändern werde sich auch die Arbeit der Gutachterinnen und Gutachter, die sich künftig mit den wenigen angeführten Publikationen zum wissenschaftlichen Lebenslauf und zum Forschungsprojekt noch intensiver auseinandersetzen sollten.
„Das alles kann der Wissenschaft und unserer Förderarbeit nur gut tun – auch wenn die neuen Regelungen sich sicherlich nicht von heute auf morgen überall umsetzen lassen werden und es einiges an Umdenken und an Überzeugungsarbeit bedarf, bis es so weit ist“, so Kleiner abschließend. Die DFG werde „mit einer gewissen Hartnäckigkeit“ auf die Annahme und Umsetzung achten. „Wer dann immer noch 50 Publikationen angibt statt fünf, der bekommt seinen Antrag mit der freundlichen, aber bestimmten Bitte um Überarbeitung zurück“, stellte der DFG-Präsident in Aussicht. „Wir hoffen allerdings, dass wir von diesem Return to sender nicht allzu oft Gebrauch machen müssen.“
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