Quanten heiß gemacht
Ein Experiment zeigt die Entstehung und Ausbreitung einer Temperatur in der Quantenwelt.
Der Zusammenhang zwischen der mikroskopischen Welt der Quantenphysik und unserer Alltagswelt gibt uns bis heute Rätsel auf. Experimente mit ultrakalten Atomwolken an der TU Wien zeigen nun, wie ein Quantenobjekt ganz von selbst in einen Zustand übergeht, dem man eine Temperatur zuordnen kann. Das Erstaunliche ist: Quanteneigenschaften gehen von alleine verloren, ohne Einfluss von außen.
Abb.: Prinzip des Experiments: Zu Beginn befindet sich die Atomwolke in einem perfekt geordneten Quantenzustand (symbolisiert durch graue Atome). Im Laufe der Zeit geht diese Quanten-Ordnung verloren und Unordnung breitet sich mit einer gewissen Geschwindigkeit aus (symbolisiert durch eine Mischung von roten und grauen Atomen). Diese Unordnung entspricht der Entwicklung einer Temperatur. (Bild: TU Wien)
Wenn man ein Quantensystem misst, verändert man es und zerstört die Quanteneigenschaften. So lässt sich etwa eine Wolke von Atomen so präparieren, dass jedes Atom sich gleichzeitig an verschiedenen Orten befindet, in perfekter Quanten-Überlagerung. Sobald man den Ort der Atome aber misst, wird diese Überlagerung zerstört. Übrig bleiben Atome, die sich an einem bestimmten Ort befinden – sie verhalten sich dann so, wie klassische Objekte. In diesem Fall entsteht der Übergang vom Quantenverhalten ins klassische Verhalten durch einen äußeren Eingriff. Doch was geschieht, wenn man das Quantensystem nicht von außen beeinflusst? Kann es dann trotzdem klassische Eigenschaften annehmen – zum Beispiel eine wohldefinierte Temperatur?
„Wir untersuchen Wolken aus einigen tausend Atomen“, erklärt Tim Langen von der TU Wien. „Diese Wolken sind noch klein genug, um sie gut von der Umwelt abschirmen zu können. Sie sind aber groß genug, um an ihnen zu studieren, wie Quanteneigenschaften verloren gehen“. Im Experiment werden die Atomwolken aufgeteilt und die beiden Hälften nach einer gewissen Zeit miteinander verglichen. So lässt sich messen, wie eng verschiedene Punkte der Atomwolke noch quantenmechanisch miteinander verbunden sind. Ursprünglich ist diese Verbindung perfekt, alle Atome befinden sich in einem streng geordneten Quantenzustand. Doch weil es sich insgesamt um ein großes Objekt aus vielen Atomen handelt, bleibt diese Ordnung nicht lange erhalten.
Abb.: Atomchip zum Kühlen und Manipulieren der ultrakalten Atomwolken. (Bild: TU Wien)
Weil die Atome miteinander wechselwirken, beginnt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit Unordnung auszubreiten. Dort wo bereits Unordnung herrscht, verlieren die Atome ihre Quanteneigenschaften. Es ist dann möglich, ihnen wie bei einem klassischen Gas eine Temperatur zuzuordnen. „Wie schnell sich dabei die Unordnung ausbreitet, hängt von der Anzahl der Atome ab“, sagt Langen. Dabei gibt es zu jedem Zeitpunkt eine klare Grenze zwischen dem Bereich, der sich bereits durch eine klassische Temperatur beschreiben lässt, und dem Bereich in dem die Quanteneigenschaften noch unverändert sind.
Nach einer gewissen Zeit hat die Unordnung die gesamte Atomwolke erfasst. Die entscheidende Beobachtung dabei ist, dass dies ohne Kontakt zur Außenwelt allein durch Quanteneffekte passiert. Das Verhalten der Atomwolke wird bloß durch ihre inneren Eigenschaften bestimmt. Ausgehend von einem rein quantenmechanischen Zustand sieht sie nach einer gewissen Zeit „klassisch“ ungeordnet aus, auch wenn sie sich ausschließlich nach den Regeln der Quantenphysik entwickelt. Das Experiment könnte uns also nicht nur helfen, das Verhalten großer Atomwolken zu verstehen, es hilft auch zu erklären, warum uns unsere Welt so klassisch erscheint, obwohl sie doch auf quantenphysikalischen Naturgesetzen beruht.
TU Wien / AH