27.03.2019

Quantenbits mit Stern-Gerlach-Messung

Zustand neutraler Atome lässt sich in optischem Gitter über räumliche Aufspaltung analysieren.

Spätestens seit kommerzielle Quanten­computer auf dem Markt erhältlich sind oder sich zumindest ihre Rechenzeit erwerben lässt, ist auch in der Tagespresse von Quantenbits die Rede. Dabei ist noch lange nicht ausgemacht, welche Technologie eines Tages das Rennen machen wird, wenn es darum geht, einen leistungs­starken Quantenrechner zu konstruieren. Ein solcher müsste sehr viel mehr Qubits kohärent miteinander verschalten, als es heute möglich ist. Während in letzter Zeit vor allem tiefgekühlte supra­leitende Schwingkreise von sich reden machten, haben aber auch andere Typen von Qubits ihre Vorteile.

 

Abb.: Die Atome werden zunächst in zwei Ebenen in optischen Gittern...
Abb.: Die Atome werden zunächst in zwei Ebenen in optischen Gittern festgehalten. Nach einer Manipulation mit Mikrowellen haben sie sich entweder nach links oder rechts bewegt. (Bild: Weiss Lab., PSU)

Neutrale Atome etwa haben lange Kohärenz­zeiten und lassen sich darüber hinaus auch in einer größeren Matrix anordnen. Dabei können die Abstände zwischen den einzelnen Atomen mehrere Mikrometer betragen, so dass sie sich einzeln adressieren lassen. Um sich diese Eigenschaften zunutze zu machen, hat ein Forscherteam um David Weiss von der Pennsylvania State University nun ein ausge­klügeltes Verfahren entwickelt, dass die Nachteile früherer Nachweis­methoden vermeidet. Dabei konnten sie auch eine deutlich gestiegene Zuverlässigkeit erzielen.

Am Ende einer Quantenrechnung müssen die einzelnen Zustände ausgelesen werden. Bislang bewerk­stelligte man dies bei neutralen Atomen in einem optischen Gitter etwa dadurch, dass man diejenigen Atome mit einem bestimmten Zustand mit einem Lichtpuls aus dem Gitter warf und die übrig bleibenden nachwies. Obwohl die Nachweisrate für die verbleibenden Atome sehr hoch ist, hat dieses Verfahren aber den Nachteil, dass rund die Hälfte der Atome nach der Messung verschwunden ist und die Fehlplätze „nachgeladen“ werden müssen, was Fehler­korrekturen schwierig macht. Außerdem sind mögliche Verluste von Atomen während der Rechnung nicht zu unterscheiden von den fehlenden Atomen, die ordnungs­gemäß aus dem Gitter geworfen wurden.

Die Forscher der Penn State University haben deshalb Anleihen beim altehr­würdigen Stern-Gerlach-Experiment genommen, mit dem vor knapp hundert Jahren die Richtungs­quantelung von Drehimpulsen entdeckt wurde. Auch sie nutzen die räumliche Verschiebung von Atomen abhängig von ihrem Zustand. Dazu luden sie zunächst Atome in ein drei­dimensionales optisches Gitter von fünf auf fünf Plätzen in je zwei Ebenen, das sie mit Hilfe von Laserstrahlen von 839 Nanometern Wellenlänge erzeugten. Die Atome in diesem annähernd kubischen Gitter hatten einen Abstand von 4,8 Mikrometern – unabhängig von ihrem Quantenzustand. Über Mikrowellen­strahlung konnten sie dann die Atome in eine Überlagerung von Zuständen bringen, wie sie auch nach einer Quantenrechnung vorgelegen hätte.

Dann kam der eigentlich Trick: Die Forscher änderten die Polarisation eines der Laser, die das Gitter in x-Richtung aufspannten, wodurch die Atome in dem einen Qubit-Zustand sich nach links und die im anderen Zustand sich nach rechts bewegten. Ein Qubit in einem Überlagerungs­zustand endete in einer räumlichen Überlagerung zwischen links und rechts. Dann schalteten die Wissenschaftler auf ein anderes optisches Gitter mit einem kleineren Gitter­abstand um, so dass die Atome in ihrer verschobenen Position gefangen wurden. Wenn nun Licht an den Atomen gestreut wurde, um ihre Position zu messen, gab ihre räumliche Verteilung den gesuchten Quanten­zustand wieder.

„Auf diese Weise konnten wir die inneren atomaren Spinzustände auf Atom­positionen abbilden, und zwar sehr zuverlässig“, sagt David Weiss. Dabei blieben die Atome erhalten und ließen sich für weitere Rechnungen oder Fehler­korrekturen verwenden. Die Güte dieses Verfahrens bestimmten die Forscher zu 0,9994, was nur sechs Fehlern auf 10.000 Versuche entspricht. Im Vergleich zu früheren Verfahren ist dies eine Verbesserung um rund den Faktor zwanzig.

In der nächsten Zeit dürften bei allen Qubit-Techno­logien die Bestrebungen möglichst geringe Fehlerraten weitergehen. Neutrale Atome schlagen sich bislang gut als einzelne Qubits und zeigen dort vergleichbare Zustands­treue und Nachweis­barkeit wie andere Arten von Qubits. Bei den Zwei-Qubit-Gattern haben aber noch andere Tech­nologien einen Vorsprung. „Neutrale Atome könnten theoretisch eine konkurrenzfähige Zustandstreue von über 0,999 auf dem Papier erreichen“, sagt Weiss. „Aber das Experiment findet im Labor statt, nicht auf dem Papier.“ Sollte sich dies in so hoher Güte realisieren lassen, könnten neutrale Atome in optischen Gittern aber ihre Vorteile ausspielen. Denn mit einer zunehmenden Zahl von Qubits sinkt diese Treue im Gegensatz zu anderen Qubit-Typen nicht. Die Forscher um Weiss sind zuversichtlich, schon in naher Zukunft ihr System auf fünfzig Qubits erweitern und damit fehlerfrei rechnen zu können.

Dirk Eidemüller

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