Quantenobjekte aus Licht und Materie
MPQ-Physiker entdecken neuartige optische Nichtlinearität für die Steuerung einzelner Photonen durch einzelne Photonen
MPQ-Physiker entdecken neuartige optische Nichtlinearität für die Steuerung einzelner Photonen durch einzelne Photonen
Moleküle sind bekanntermaßen mehr oder weniger komplexe Gebilde aus Atomen. Wir wissen dagegen, dass sich einzelne Lichtquanten nicht zu Molekülen verbinden können, da sie kaum jemals in Wechselwirkung miteinander treten. Aber wie steht es mit Molekülen aus Licht und Materie, z.B. aus einem einzelnen Atom und einigen Photonen? So ein Molekül könnte tatsächlich existieren, vorausgesetzt, die Wechselwirkung zwischen Atom und Lichtquant ist stark genug. Unter dieser Bedingung können auch die Photonen dank der Mithilfe des Atoms miteinander in Wechselwirkung treten. Diese Photon-Photon-Wechselwirkung ist der Ursprung von Nichtlinearitäten, die nur mit den Gesetzen der Quantenmechanik erklärt werden können. In einem soeben veröffentlichten Experiment (Nature Physics, DOI 10.1038/nphys940) hat ein Team von Wissenschaftlern um Prof. Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik (Garching bei München) ein einzelnes Atom mit zwei Photonen zu einem fragilen Molekül verbunden und dessen nichtlineare Eigenschaften nachgewiesen.
Abb.: Ein Atom zwischen zwei extrem guten Spiegeln tritt mit zwei Lichtquanten (Photonen) gleichzeitig in Wechselwirkung. Dies führt zu einem nichtlinearen Verhalten, wobei zwei einzelne Photonen zusammenwirken müssen, um zwischen die Spiegel zu gelangen.
Den hier geschilderten Arbeiten liegen ausgefeilte Techniken zugrunde, welche in den Labors von Prof. Rempe zur Erzeugung und Manipulation einzelner Atome und Lichtquanten entwickelt wurden. Die experimentelle Herausforderung folgt aus der theoretisch bedingten Notwendigkeit, exakt ein Atom zu haben, das mit genau zwei identischen Photonen in so starke Wechselwirkung tritt, dass das Atom und die Photonen ihre individuelle Identität verlieren.
Das Experiment beginnt mit der Kühlung atomarer Gase auf tiefe Temperaturen, so dass die Atome sehr langsam werden. Dann isolieren die Wissenschaftler ein einzelnes Atom vom Rest und leiten es an eine ganz bestimmte Stelle. Im zweiten Schritt wird an derselben Stelle Licht eingefangen, in einer "Falle", die aus zwei konkaven Spiegeln im Abstand von ungefähr einem Zehntel Millimeter besteht. Diese Spiegel umschließen auch das einzelne Atom. Der winzige Bereich zwischen den Spiegeln ist das Herz des Experimentes, wobei der gesamte Versuchsaufbau den Platz eines durchschnittlichen Wohnzimmers einnimmt.
Die Konzentration des Lichtes auf ein winziges Volumen hat den großen Vorteil, dass auf Grund der hohen Intensität des Lichtfeldes bereits ein Lichtquant ausreicht, um das Atom so zu "stören", dass es sich gewissermaßen mit ihm zu einem Molekül verbindet. Für die Konfiguration solcher Licht-Atom-Moleküle gibt es eine unbegrenzte Zahl an Möglichkeiten: Das Atom kann sich mit einem Photon verbinden, oder mit zweien, mit dreien, usw.. Die Existenz solcher Zustände wurde schon vor einem halben Jahrhundert vorher gesagt. Jeder Konfiguration entspricht ein anderer Energiezustand, der über die Spektroskopie des Moleküls nachgewiesen werden kann.
Der einfachste Zustand - ein Atom und ein Photon - wurde bereits in vielen Experimenten beobachtet. Die Wissenschaftler interessieren sich aber vor allem für Objekte mit zwei Photonen, da deren Wechselwirkung spezifischen Regeln der Quantentheorie gehorcht, wie Dr. Karim Murr erläutert: " Vereinfacht kann man es so ausdrücken: Wenn man nur ein Atom und ein Lichtquant hat, dann absorbiert und emittiert das Atom dieses eine Lichtquant mehrere Male. Sind jedoch zwei Photonen vorhanden, dann muss das Atom eine Wahl treffen, da es nur ein Photon auf einmal absorbieren kann. Die Schwierigkeit bei der Wahl entsteht dadurch, dass beide Photonen ununterscheidbar sind. Das Atom wird also immer wieder ein Photon absorbieren oder emittieren, aber wir wissen nie, welches von beiden." Das Ergebnis dieser Unkenntnis ist eine effektive Wechselwirkung zwischen den beiden Photonen, die über das Atom vermittelt wird.
Wie bei der Spektroskopie gewöhnlicher Atome oder Moleküle erfolgt die Anregung des Atom-Licht-Moleküls mit Laserlicht. Ingrid Schuster, Doktorandin am Experiment, und ihre Kollegen haben dem Zwei-Photon-Zustand in zwei unterschiedlichen Versuchsanordnungen nachgespürt. Zunächst variierten sie die Farbe des Lasers kontinuierlich. Bei geringen Laserintensitäten erhält man das Spektrum eines Moleküls aus einem Atom mit einem Photon, wie es bereits seit mehr als 10 Jahren bekannt ist. Bei höheren Intensitäten beobachtet man jedoch eine ausgeprägte Resonanz im Energiespektrum, die sich nur mit der Kopplung des Atoms an zwei Photonen erklären lässt. Für die Anregung dieser Resonanz ist es notwendig, dass das Molekül auf einen Schlag zwei Photonen absorbiert.
In einem etwas anders gearteten Versuch haben die Wissenschaftler dann gezielt den Zwei-Photonen-Zustand untersucht. Mit einem Trick konnten sie vermeiden, dass der Ein-Photonen-Zustand überhaupt angeregt wurde. Es zeigte sich, dass das System bei niedrigen Laserintensitäten mehr oder wenig undurchlässig ist. Das liegt daran, dass die einzeln ankommenden Photonen nicht vom Molekül aufgenommen werden können. Je höher die Intensität ist, desto mehr Photonen-Paare sind im Laserlicht enthalten, so dass es immer häufiger Zustände aus einem Atom und zwei Photonen gibt. Das führt zu einem nichtlinearen Verhalten der Lichtdurchlässigkeit, die in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen steht.
Die hier geschilderte Arbeit dient in erster Linie der Grundlagenforschung, und dieser besondere Zustand aus Licht und Materie wird noch in diversen Experimenten genauer untersucht werden. Aber die Wissenschaftler können sich durchaus schon Anwendungen vorstellen. So könnte das gekoppelte Atom-Resonator-System als ein Zwei-Photonen-Filter dienen, in dem das eine Photon den Weg des anderen schaltet. So ein Einzel-Photonen-Transistor ließe sich in der Quantenkommunikation zwischen stationären Atomen und "fliegenden" Photonen einsetzen. [IS/OM]
Quelle: idw
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:I. Schuster, A. Kubanek, A. Fuhrmanek, T. Puppe, P. W. H. Pinkse, K. Murr und G. Rempe
"Nonlinear spectroscopy of photons bound to one atom"
Nature Physics, DOI: 10.1038/nphys940