01.12.2016

Quantenreibung eines Atoms

Neues Modell eröffnet Einblicke in Nicht-Gleichgewichts-Systeme.

In der Natur sind Systeme, die sich außerhalb des thermo­dynamischen Gleich­gewichts befinden, allgegenwärtig. Aufgrund ihrer Bedeutung sowohl für die Grundlagen­physik als auch für die moderne Nanotech­nologie erfahren sie seit einigen Jahren eine stetig wachsende Bedeutung. Im Rahmen einer Zusammen­arbeit von Forschern der AG Theore­tische Optik und Photonik des Max-Born-Instituts und der Humboldt-Universität zu Berlin mit Kollegen der Universität Potsdam, der Yale Uni­versity und dem Los Alamos National Labo­ratory ist es nun gelungen, detaillierte neue physika­lische Einsichten zur Quanten­reibung eines Atoms an einer Oberfläche zu erhalten.

Abb.: Schematische Darstellung des Unterschieds zwischen der LTG-Näherung (a) und der vollen Nicht-Gleichgewichts-Beschreibung (b) der Quantenreibung. Im ersten Fall wird angenommen, dass das Atom und die Oberfläche separat im thermodynamischen Gleichgewicht mit der jeweiligen unmittelbaren Umgebung sind. Allerdings führen die Quanten-Korrelationen zwischen dem Atom und der Oberfläche zum Zusammenbruch dieser Näherung. (Bild: MBI)

Dyna­mische van der Waals- bzw. Casimir-Kräfte zwischen Atomen, Molekülen und Ober­flächen stellen eine spezielle Klasse solcher Nicht-Gleich­gewichts-Phänomene dar. Diese Kräfte sind quanten­mechanischen Ursprungs und bilden die Grundlage der kontakt­losen Quanten­reibung, die immer dann auftritt, wenn sich zwei Objekte im Abstand von wenigen zehn Nanometern relativ zueinander bewegen. Allerdings stellt die detail­lierte quanti­tative Beschreibung solcher Nicht-Gleich­gewichts-Systeme eine nicht zu unter­schätzende Heraus­forderung dar, so dass oft Näherungs-Verfahren zum Einsatz kommen, die auf der Annahme basieren, dass die Abweichungen von den Nicht-Gleich­gewichts-Eigen­schaften vergleichs­weise klein sind. Und das geschieht sehr oft auch dann, wenn die Gültigkeit der Annahme sowie die zuge­hörigen approxi­mativen Zugänge unzu­reichend getestet und in der Folge die Belast­barkeit der Ergebnisse nicht aus­reichend gesichert sind.

Im krassen Gegen­Satz mit weithin aner­kannten Annahmen konnten die Forscher zeigen, dass die Annahme eines lokalen thermischen Gleichgewichts (LTG), welche die miteinander wechsel­wirkenden Teil­systeme eines allge­meinen Nicht-Gleich­gewichts-Systems so behandelt, als wäre jedes für sich zunächst im ther­mischen Gleich­gewicht mit der jeweils unmittelbaren Umgebung, im Falle der Quanten­reibung dramatisch versagt. Auf der Basis allgemein gültiger Aussagen der Quanten­statistik und exakt lösbarer Modelle, haben die Forscher nachge­wiesen, dass die LTG-Näherung die Reibungs­kraft um etwa 80 Prozent unterschätzt. Da die LTG-Näherung das Arbeits­pferd bei der Behandlung einer Vielzahl von Nicht-Gleich­gewichts-Phäno­menen ist, die vom ther­mischen Energie­transport bis hin zu Nicht-Gleich­gewichts-Dispersions­kräften reicht, demonstrieren diese Ergebnisse, dass bisherige Rechnungen auf der Basis der LTG-Näherung einer strengen Recht­fertigung entbehren und daher überprüft werden müssen.

Neben der Beant­wortung grund­sätzlicher Fragen im stark inter­diszipli­nären Feld der van der Waals/Casimir Kräfte, werden die Ergeb­nisse der Forscher beträcht­liche Auswir­kungen auf eine Vielzahl von Anwen­dungen im aktuellen Bereich der Nicht-Gleich­gewichts-Physik haben, wie etwa bei minia­turisierten Fallen für ultra-kalte Gase, nano-elektro­mechanischen Systemen (NEMS) und der Strahlungs­übertragung im Nah-Feld. Dement­sprechend liegt mit der vor­liegenden Arbeit eine quanti­tative Analyse vor, deren Aussagen einen erheb­lichen Fortschritt für das Verständnis der Nicht-Gleich­gewichts-Quanten­physik darstellen.

MBI / JOL

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