Quantenteleportation über 143 Kilometer
Physikern gelang es, den Quantenzustand eines Lichtteilchens über die Rekorddistanz von 143 Kilometern von der kanarischen Insel La Palma nach Teneriffa zu übertragen.
Das „Quanten-Internet“ ist eine Zukunftsvision der Informationsverarbeitung. Es basiert nicht mehr auf klassischen Computernetzwerken, sondern auf den derzeitigen Entwicklungen der modernen Quanteninformation, bei der einzelne Quantenteilchen die Träger von Information sind. Quantennetzwerke versprechen absolut sichere Kommunikation und verbesserte Rechenleistung bei dezentralen Aufgaben gegenüber allen denkbaren klassischen Technologien. Aufgrund der Transmissionsverluste in konventionellen Glasfasern wird ein globales Quantennetzwerk voraussichtlich auf der Übertragung von Quantenzuständen durch den freien Raum basieren, beispielsweise zwischen Satelliten und von Satelliten zur Erde.
Abb.: Schematische Veranschaulichung des Teleportationsexperiments. Teleportiert wurde der Polarisationszustand von Lichtteilchen über eine Distanz von 143 Kilometern von der kanarischen Insel La Palma nach Teneriffa. (Bild: IQOQI Wien & MPQ)
Die nun realisierte Quantenteleportation über eine Distanz von 143 Kilometern überbot einen gerade erste wenige Monate alten chinesischen Rekord von 97 Kilometern und ist ein Schritt auf dem Weg zu dieser Zukunftstechnologie.
Auf der Insel La Palma erzeugte das Physikerteam verschränkte Paare von Lichtteilchen (Photonen 2 und 3 im Bild). Quantenmechanische Verschränkung bedeutet dabei, dass keines der beiden Photonen für sich genommen eine definitive Polarisation hat, dass aber, wenn man die Polarisation bei einem der Photonen misst und ein zufälliges Resultat erhält, das andere Photon stets eine damit perfekt korrelierte Polarisation zeigen wird. Diese Art der quantenmechanischen Korrelation ist mithilfe der klassischen Physik nicht beschreibbar und wurde von Albert Einstein daher als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet.
Eines der Photonen (Photon 3) wurde sodann durch die Luft auf etwa 2400 Meter Meereshöhe 143 Kilometer weit über den Atlantik nach Teneriffa geschickt und dort mit einem Teleskop der europäischen Weltraumagentur eingefangen. Das zweite (Photon 2) verblieb indessen im Labor auf La Palma. Dort erzeugten die Experimentatoren weitere Lichtteilchen in einem frei einstellbaren Polarisationszustand, den es zu teleportieren galt.
Dies geschah in mehreren Schritten: Zunächst wurde eine Bell-Messung („BM“), an Photon 1 und 2 durchgeführt, bei der beide Photonen unwiderruflich zerstört werden. Bei dieser Messung unterschieden die Forscher zwei mögliche Resultate, die entsprechende klassische Information übermittelte ein gewöhnlicher Laserpuls (violett in der Abbildung) nach Teneriffa. Dort wurde, je nachdem welches der beiden Resultate der Bell-Messung zustande gekommen war, die Polarisation von Photon 3 entweder um 90 Grad rotiert oder völlig unverändert gelassen. Diese Transformation („T“) schloss die Teleportation ab, und die Polarisation von Photon 3 auf Teneriffa war nun identisch mit der ursprünglichen Polarisation von Photon 1 auf La Palma.
Die Komplexität des Aufbaus und die umweltbedingten Einflüsse (Temperaturschwankungen, Sandstürme, Nebel, Regen, Schnee) waren für das Experiment eine große Herausforderung. Sie erforderten auch eine Kombination modernster quantenoptischer Technologien, was die Quelle der verschränkten Lichtteilchen, die Messgeräte und die zeitliche Synchronisation der beiden Laboratorien betrifft. Das Experiment stellt damit einen Meilenstein dar, der die Reife und Anwendbarkeit dieser Technologien für zukünftige globale Quantennetzwerke demonstriert.
Für den nächsten Schritt der satelliten-basierten Quantenteleportation hat eine internationale Kooperation der Österreichischen und Chinesischen Akademie der Wissenschaften zum Ziel, in absehbarer Zukunft einen gemeinsamen Satelliten in den Weltraum zu schießen.
MPQ / PH