17.05.2023

Qubits aus Graphen möglich

Wichtige Eigenschaften von Doppelquantenpunkten in zweilagigem Graphen aufgedeckt.

Quantenpunkte sind in Halbleitern wie Galliumarsenid, Silizium oder Silizium­germanium ausgiebig untersucht worden, da sie eine geeignete Festkörper­plattform für Quanteninformations­anwendungen darstellen. Die Arbeitsgruppe „2D-Materialien und Quanten­bauelemente“ der RWTH Aachen hat nun gezeigt, dass Quantenpunkte in zweilagigem Graphen mehr zu bieten haben als in anderen Materialien: Sie ermöglichen die Realisierung von Systemen mit nahezu perfekter Elektron-Loch-Symmetrie, in denen der Transport über die Erzeugung und Vernichtung einzelner Elektron-Loch-Paare mit entgegen­gesetzten Quantenzahlen erfolgt. Daraus ergeben sich starke Auswahlregeln, die für hochpräzise Auslese­verfahren von Spin- und Valley-Qubits genutzt werden können.

Abb.: Quantenpunkte in zweilagigem Graphen ermöglichen die Realisierung von...
Abb.: Quantenpunkte in zweilagigem Graphen ermöglichen die Realisierung von Systemen mit nahezu perfekter Elektron-Loch-Symmetrie. (Bild: C. Stampfer, RWTH)

1931 veröffentlichte Paul Dirac eine Arbeit, in der er die Existenz eines Antielektrons vorhersagte. Dieses Antiteilchen hätte die gleiche Masse wie ein Elektron, aber die entgegen­gesetzte Ladung und den entgegen­gesetzten Spin. Ein Teilchen-Antiteilchen-Paar würde sich bei Wechselwirkung vernichten. Die Existenz des Antielektrons, später Positron benannt, wurde ein Jahr später experimentell belegt. Dies war der erste Nachweis eines Antiteilchens. Das Konzept der Antiteilchen spielt eine zentrale Rolle in der Festkörper­physik, wo Antiteilchen üblicherweise als Löcher bezeichnet werden. Beispiels­weise ist das Vorhandensein oder Fehlen von Symmetrie zwischen Elektron- und Loch­zuständen wichtig für die Charak­terisierung topologischer Phasen in Festkörpern. Es wird jedoch selten erwartet, dass eine Elektron-Loch-Symmetrie in Halbleitern vorhanden ist. Eine bemerkens­werte Ausnahme ist zweilagiges Graphen bei niedrigen Anregungs­energien.

„Zweilagiges Graphen ist ein einzig­artiger Halbleiter“, erklärt Christoph Stampfer von der RWTH Aachen. „Es teilt mehrere Eigenschaften mit einlagigem Graphen, wie zum Beispiel eine geringe Spin-Bahn-Kopplung und ein Niedrigenergie­spektrum, das eine perfekte Elektron-Loch Symmetrie aufweist. Dies macht es für Quantentechnologien sehr interessant. Darüber hinaus hat es eine Bandlücke, die durch ein externes elektrisches Feld von Null auf etwa 120 Milli­elektronenvolt eingestellt werden kann.“ Die Bandlücke ermöglicht den Einschluss von Elektronen in Quantenpunkten in zweilagigen Graphen mit Hilfe elektro­statischer Gatter, die denen von Silizium sehr ähnlich sind.

Aufgrund der geringen Größe der Bandlücke können diese Quantenpunkte jedoch ambipolar sein. Sie können je nach angelegter Spannung sowohl Elektronen als auch Löcher einfangen. Stampfer und seine Kollegen nutzten diese Eigenschaft um Elektron-Loch-Doppel­quantenpunkte zu erzeugen, bei denen jeder der Quantenpunkte maximal ein Elektron oder ein Loch beherbergt, wodurch der elektrische Transport in den Quanten­punkten kontrolliert wird. In einem solchen System kann elektrischer Transport nur stattfinden, wenn ständig Elektron-Loch-Paare mit entgegen­gesetzten Quantenzahlen erzeugt oder vernichtet werden können.

Dies hat zwei bemerkenswerte Konsequenzen. Erstens konnten die Forscher durch eine sorgfältige Analyse des elektrischen Stroms durch die Doppel­quantenpunkte erstmals experimentell die Symmetrie zwischen Elektronen- und Lochzuständen in zweilagigem Graphen nachweisen. Sie zeigten, dass die Symmetrie nahezu perfekt erhalten bleibt, selbst wenn Elektronen und Löcher in verschiedenen Quantenpunkten räumlich getrennt sind. Zweitens führt diese Symmetrie zu einem starken und robusten Blockade­mechanismus für den Transport durch den Doppelquantenpunkt, der ein zuver­lässiges Ausleseschema für Spin- und Valley-Qubits bieten kann.

„Das übersteigt das, was in herkömmlichen Halbleitern oder anderen zweidimensionalen Elektronensystemen möglich ist“, sagt Fabian Hassler vom JARA-Institut für Quanten­information an der RWTH Aachen. „Die nahezu perfekte Symmetrie, die wir in unserer Arbeit beobachten, und die starken Selektions­regeln, die sich aus dieser Symmetrie ergeben, sind nicht nur für den Betrieb von Qubits, sondern auch für die Realisierung von Einzel­teilchen-Terahertz-Detektoren sehr attraktiv. Darüber hinaus bietet es sich an, Quantenpunkte aus zweilagigem Graphen mit Supraleitern zu koppeln – zwei Systeme, in denen die Elektron-Loch-Symmetrie eine wichtige Rolle spielt. Diese hybriden Systeme könnten genutzt werden, um effiziente Quellen für verschränkte Teilchen­paare oder künstliche topologische Systeme zu schaffen und damit der Realisierung topo­logischer Quanten­computer einen Schritt näher zu kommen.“

RWTH / JOL

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