Radiokarbonuhr kalibriert
Altersbestimmung per Radiokarbondatierung dank neuer Messkurven nochmals präziser geworden.
Archäologen, Paläontologen und Geowissenschaftler: Viele Wissenschaftler nutzen für die Altersbestimmung ihrer Fundstücke die Radiokarbonmethode. Die Exaktheit dieser Daten ist für sie von entscheidender Bedeutung. Fortschritte in der Analysetechnik und die Erweiterung und Verbesserung der Baum-, Tropfstein- und Sedimentarchive machen es möglich, dass diese Radiokarbonuhr von Zeit zu Zeit neu geeicht und verfeinert werden kann. Nach sieben Jahren hat jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam die der Radiokarbondatierung zugrundeliegenden Kurven aktualisiert und neu berechnet. Das Forscherteam unter der Leitung von Paula Reimer von der Queen‘s University in Belfast verwendete Messungen von über 15.000 Proben, die bis zu 60.000 Jahren zurückreichen. Beteiligt an dieser Kooperation ist auch der Paläobotaniker Michael Friedrich von der Universität Hohenheim in Stuttgart.
Die Radiokarbondatierung ist die am häufigsten verwendete Methode zur Altersbestimmung von archäologischen oder anthropologischen Fundstücken. Zunehmend greifen auch Umweltwissenschaftler darauf zurück, um herauszufinden wie das Klima in der Vergangenheit war, es besser zu verstehen und daraus Vorhersagen für zukünftige Veränderungen abzuleiten. Grundlage dieses auch als C-14-Datierung bezeichneten Verfahrens ist das Vorkommen des schwach radioaktiven Kohlenstoffisotops C-14 in der Atmosphäre. Dabei ist sein Anteil verschwindend gering: Unter rund einer Billion Kohlenstoffatome findet sich nur ein C-14-Atom. Im Gegensatz zum mengenmäßig vorherrschenden Kohlenstoffisotop C-12 ist C-14 nicht stabil und zerfällt im Laufe der Jahrtausende.
Egal ob Pflanze oder Tier, solange ein Organismus lebt, nimmt er ständig neuen Kohlenstoff auf. In seinem Körper findet sich daher das gleiche Verhältnis dieser beiden Isotope wie in der Luft. Sobald jedoch ein Lebewesen stirbt und somit kein Stoffwechsel mehr stattfindet, wird auch kein neuer Kohlenstoff mehr im Körpergewebe eingelagert.
Während das stabile Kohlenstoffisotop C-12 erhalten bleibt, zerfällt das C-14, seine Menge nimmt mehr und mehr ab, nach 5730 Jahren hat sie sich halbiert. Findet man nun ein organisches Objekt bei Ausgrabungen, seien es verkohltes Holz oder andere Pflanzenreste, Knochen oder beispielsweise auch Lederreste, können Experten aus der verbliebenen C-14-Menge im Gewebe Rückschlüsse auf dessen Alter ziehen.
Allerdings schwankte im Laufe der Jahrtausende das Verhältnis von C-14 zu C-12 in der Atmosphäre stark, so dass die Wissenschaftler keine exakten absoluten Alter angeben können. Um trotzdem Rückschlüsse aus dem C-14-Anteil von Organismen ziehen zu können, brauchen sie eine Eichung. Mit Hilfe von Kalibrationskurven können die Veränderungen in der atmosphärischen C-14-Konzentration berücksichtigt werden und das genaue Alter bestimmt werden.
Dazu nutzen die Forscher Vergleichsmaterial, das einerseits sowohl Kohlenstoff speichert, dessen Alter andererseits aber auch sehr gut über andere Methoden bestimmt werden kann. Neben Tropfsteinen und Mineralablagerungen in Höhlen, Korallen aus dem Meer sowie Ablagerungen in Seen und Ozeanen werden vor allem Jahresringe von Bäumen herangezogen.
Diese Dendrochronologie ist ein wichtiges Kernstück bei der Datierung. Sie erlaubt eine jahrgenaue Datierung von Holz und liefert die genaueste Kalibrationskurve. Die unterschiedlich breiten Jahresringe von Bäumen spiegeln die Witterungs- und Standortverhältnisse zum Zeitpunkt ihres Wachstums wieder. Wie bei einem Puzzle können Wissenschaftler Holzstücke aus verschiedenen Epochen aneinanderreihen und so einen Jahresring-Kalender erstellen.
„Über Jahrzehnte hinweg haben wir hier in Hohenheim so den längsten Jahresring-Kalender der Welt aufgebaut“, erklärt Friedrich. „Er reicht bis zur letzten Eiszeit in Mitteleuropa vor rund 14.000 Jahren zurück. Heute können wir das Alter von späteiszeitlichen Bäumen bis auf ein Jahr genau angeben.“ Aus dem Vergleich mit dem C14-Gehalt im Holz aus verschiedenen Zeiten ergeben sich daraus Kalibrationskurven, die sich auch auf andere C-14-Proben weltweit anwenden lassen. Für die C-14-Analysen arbeitet Friedrich eng mit Bernd Kromer vom Institut für Umweltphysik an der Universität Heidelberg zusammen.
„Fortschritte bei der Messung von C-14 führten dazu, dass heute für die aktualisierten Kurven nur winzige Proben verwendet werden müssen“, erläutert Friedrich. „Wo früher ganze Baumscheiben für die Datierung gebraucht wurden, reichen heute kleinste Holzsplitter von einzelnen Jahresringen. Dadurch konnte die neue Kalibrationskurve in bestimmten Abschnitten sogar in jährlicher Auflösung vorgelegt werden. Im Vergleich zur bisherigen Kurve bedeutet das eine enorme Verbesserung der Datierung.“
In den nächsten Jahren arbeitet Michael Friedrich im Rahmen des EU-Projektes Resolution in Kooperation mit der Universität Bologna am Aufbau von völlig neuen Jahresringkurven aus der letzten Eiszeit vor mehreren zehntausend Jahren. Dabei handelt es sich um den Zeitabschnitt, als der moderne Mensch Europa besiedelte und die dort beheimateten Neandertaler schließlich verdrängte. „Eine jahresringgestützte Kalibrationkurve in dieser Zeit und die damit einhergehende erheblich genauere Datierung von archäologischen Funden würde ein neues Licht in dieses spannende Kapitel der Menschheitsgeschichte werfen“.
In der IntCal Working Group haben sich 2004 unter der Leitung von Paula Reimer von der Queen‘s University in Belfast rund dreißig Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen neue Daten zur Radiokarbondatierung in international gültigen C-14-Kalibrationskurven nach genau definierten Qualitätskriterien zusammenzuführen, den IntCal-Kurven (Radiocarbon Calibration). Diese gelten dann weltweit als Datierungsstandard. Je nachdem, wo sich das zu datierende Objekt befindet, existieren drei unterschiedliche Kurven: IntCal20 für die nördliche Erdhalbkugel, SHCal20 für die südliche Hemisphäre und Marine20 für die Ozeane.
U. Hohenheim / DE