09.02.2007

Referenzdesign-Report für ILC

Das Internationale Komitee für zukünftige Beschleuniger (ICFA) hat den Referenzdesign-Report für den International Linear Collider ILC veröffentlicht.



Das Internationale Komitee für zukünftige Beschleuniger (ICFA) hat den Referenzdesign-Report für den International Linear Collider ILC veröffentlicht.

Peking, China - Das International Committee for Future Accelerators (ICFA) hat am 8. Februar 2007 die Veröffentlichung des Reference Design Report (RDR) für den International Linear Collider (ILC), einen vorgeschlagenen zukünftigen Teilchenbeschleuniger, bekannt gegeben.

Im ILC rasen etwa 10 Milliarden Elektronen und ihre Antiteilchen Positronen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu. Die Teilchenstrahlen kollidieren 14.000 Mal pro Sekunde mit extrem hohen Energien - 500 Milliarden Elektronenvolt (GeV). Diese spektakulären Kollisionen erzeugen eine Reihe von neuen Teilchen, die Antwort geben könnten auf fundamentale Fragen zu den Eigenschaften des Universums, beispielsweise zum Ursprung der Masse, zur Dunklen Materie und Energie, zu Extra-Dimensionen und mehr. Die Planungsgrundlage in Form des Referenzdesigns für die 31 Kilometer lange Anlage sieht eine Erweiterung auf 50 Kilometer Länge und eine Billion Elektronenvolt (TeV) in der zweiten Phase des Projekts vor. Unter der Leitung des Global Design Effort (GDE), einem Team von mehr als 60 Wissenschaftlern, ist der ILC ein internationales Projekt, das mehr als 1000 Wissenschaftler und Ingenieure aus über 100 Universitäten und Forschungseinrichtungen in über zwei Dutzend Ländern zusammen bringt.

Abb.: So soll der geplante International Linear Collider (ILC) einmal prinzipiell aussehen. (Quelle: ILC)

Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Large Hadron Collider (LHC), der 2007 in Betrieb gehen soll, und der ILC gemeinsam viele der größten unbeantworteten Fragen über die Eigenschaften des Universums klären werden. Die hochenergetischen Elektron-Positron-Kollisionen des ILC, die sehr präzise Daten liefern, werden Wissenschaftlern die Informationen zur Verfügung stellen, die zum Verständnis des Higgs-Mechanismus notwendig sind, die die Untersuchung supersymmetrischer Teilchen und Kandidaten für Dunkle Materie ermöglichen und, durch die mögliche Entdeckung von neuen Kräften, vielleicht sogar einen Weg zur Vereinheitlichung der Naturkräfte finden. Die wissenschaftliche Bedeutung sowohl des LHC als auch des ILC wurde in einflussreichen Strategiepapieren wie „Revealing the Hidden Nature of Space and Time: Charting the Course for Elementary Particle Physics“ und „The European Strategy for Particle Physics“ hervorgehoben.

Der Reference Design Report gibt einen ersten ausführlichen technischen Überblick über die Maschine der nächsten Generation. Er definiert die genauen technischen Parameter und Komponenten, aus denen jeder Abschnitt des 31 Kilometer langen Beschleunigers besteht. Dieser Bericht dient als Leitfaden für das weltweite Forschungs- und Entwicklungsprogramm, regt internationale Industriestudien an und dient als Basis für den abschließenden technischen Entwurf für den offiziellen Projektvorschlag, der voraussichtlich am Ende unseres Jahrzehnts eingereicht wird.

„Mit der Veröffentlichung des ILC Reference Design Report hat das Projekt einen weiteren wichtigen Meilenstein erreicht", so Albrecht Wagner, Vorsitzender des International Committee for Future Accelerators und Vorsitzender des DESY-Direktoriums. „Der Bericht zeigt überzeugend, dass der Bau des ILC in naher Zukunft machbar ist. ICFA gratuliert dem Global Design Effort und allen Wissenschaftlern, die an Forschung und Entwicklung des ILC beteiligt sind, zu der beeindruckenden Arbeit, die sie in den vergangenen Jahren geleistet haben. ICFA gibt deshalb dem ILC volle Unterstützung und sieht der Weiterentwicklung des ILC als ein globales Projekt erwartungsvoll entgegen.“

„Ich freue mich sehr, dem ICFA-Komitee, dem internationalen Führungsgremium der Hochenergiephysik, unseren ILC-Planungsentwurf vorlegen zu können“, sagte GDE-Direktor Barry Barish. „Die Erstellung eines vollständigen Entwurfs, der all die spannenden Möglichkeiten für die Physik aufzeigt, ist ein sehr großer Meilenstein. Der Reference Design Report setzt einen Maßstab für die Projektkosten und ist eine starke Orientierungsbasis sowohl für das Forschungs- und Entwicklungsprogramm als auch für den technischen Entwurf - die nächsten Schritte auf dem Weg zum ILC.“

Als Teil des Reference Design Report legen die Mitglieder des GDE auch eine vorläufige Schätzung der Kosten des ILC in seinem momentanen Design unter heutigen technischen und industriellen Bedingungen vor. Die Schätzung enthält drei Elemente:

  • 1,8 Milliarden ILC Value Units für Standort-abhängige Kosten, z. B. für den Tunnelbau in einer bestimmten Region
  • 4,9 Milliarden ILC Value Units für den Wert der Hochtechnologie und konventioneller Anlagen (Standardware)
  • ca. 2000 Mitarbeiter pro Jahr (oder 13.000 Mann-Jahre)

(Für diese Kostenschätzung gilt: 1 ILC Value Unit = 1 US-Dollar (2007) = 0,83 Euro = 117 Yen.)

Diese Kostenschätzung ist vergleichbar mit den Kosten für den LHC am CERN in Genf, Schweiz, wenn man die Kosten für bereits bestehende Anlagen mit einrechnet.

Mit der Kostenschätzung können nun Design und Forschung und Entwicklung für die „Technische Phase“ optimiert werden. Die Technische Phase beginnt offiziell im Herbst 2007, nachdem die endgültige Version des RDR einem internationalen Prüfungsprozess unterzogen und dem ICFA-Komitee vorgelegt worden ist. Mit Hinsicht auf bereits gewonnene Erkenntnisse ist der GDE zuversichtlich, dass der Wert auf dem derzeitigen Niveau gehalten werden kann, während das Design während der technischen Phase weiter optimiert wird. Jedes am ILC beteiligte Land kann nun die Schätzung in die eigenen Kostenrechensysteme übertragen.

„Die Zuwendungsgeber verfolgen diesen Prozess seit Jahren. Mit der Veröffentlichung der Kostenschätzung ist ein wichtiger Meilenstein erreicht worden“, sagte Roberto Petronzio, Vorsitzender von FLAC, den Funding Agencies for Large Colliders, einer Gruppe Repräsentanten von Zuwendungsgebern und Regierungen der ganzen Welt, die dabei helfen wird, eine Finanzierungsstruktur für den ILC zu entwickeln.

Shin-Ichi Kurokawa, Vorsitzender des ILC Steering Committee, dankte dem GDE für seine Arbeit. „Die großen Anstrengungen der GDE-Mitglieder sind äußerst wertvoll, da sie zu einem sehr detaillierten Design und einer Kostenstudie für den ILC geführt haben“, sagt er. „Wir müssen hart arbeiten, um diese gewaltige Maschine zu bauen, und der heutige Tag ist ganz offensichtlich ein großer Meilenstein auf dem Weg dorthin.“

Das Referenzdesign gibt den Startschuss für ein großes Forschungs- und Entwicklungsprogramm, das sich in den drei Regionen Amerika, Asien und Europa weiterentwickeln wird.

„Der RDR ebnet den Weg zu einem weltweiten fokussierten R&D-Programm in Schlüsseltechnologien“, sagte Gerry Dugan, ILC-Regionaldirektor für Amerika. „Wir freuen uns darauf, das sich entwickelnde Maschinendesign voll zu unterstützen, zu den entscheidenden Entwicklungszielen beizutragen und unsere regionalen Fähigkeiten weiter auszubauen, um am globalen ILC-Projekt teilzuhaben.“

Der ILC nutzt heute bereits internationale Modelle für gemeinsame Forschung und Entwicklung. „Die starke Unterstützung von Geldgebern war hierbei sehr wichtig“, unterstrich Brian Foster, ILC-Regionaldirektor für Europa. „Europäische Wissenschaftler und Ingenieure haben unverzichtbare Beiträge für dieses Ziel geleistet, indem sie mit ihren Kollegen rund um die Welt zusammengearbeitet haben. Die Veröffentlichung des RDR festigt die Position des ILC als ein sehr wichtiger Bestandteil der europäischen Roadmap für Teilchenphysik und große Infrastrukturen.“ Die für den ILC im Jahr 2004 gewählte supraleitende Technologie ist bereits in anderen Forschungsfeldern im Einsatz, wie zum Beispiel bei der europäischen Freie-Elektronen-Röntgenlaseranlage XFEL.

Alle drei am ILC beteiligten Regionen haben zum RDR beigetragen. „Die Fertigstellung des Referenzdesigns ist ein wichtiger Schritt vorwärts für ein sehr anspruchsvolles internationales Forschungsprojekt“, hob Mitsuaki Nozaki, ILC-Regionaldirektor für Asien, hervor. „Die vom ILC anvisierte Wissenschaft ist so attraktiv, dass die starke internationale Partnerschaft ihresgleichen sucht. Wir hoffen, dass wir das internationale Engagement auch in der nächsten Phase aufrechterhalten können, wenn ein kohärenter R&D-Plan das Referenzdesign zu einem echten technischen Design für das globale Projekt macht.“

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

Weitere Infos:

  • Ansprechpartner:
    Elizabeth Clements, ILC-Americas, +1-630-399-1777, lizzie[at]fnal.gov
    Youhei Morita, ILC-Asia, +81-29-879-6047, youhei.morita[at]kek.jp
    Perrine Royole-Degieux, ILC-Europe, +33-6-74-11-73-78, royole[at]in2p3.fr
    Barbara Warmbein, ILC-Europe, +49-170-3346816, barbara.warmbein[at]desy.de
  • ILC:
    http://www.linearcollider.org
  • Presseinformationen, Daten & Fakten und Bilder:
    http://www.linearcollider.org/press
  • Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY in der Helmholtz-Gemeinschaft:
    http://www.desy.de

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