Rekordmessung der Feinstrukturkonstanten
Standardmodell der Teilchenphysik mit doppeltem Atominterferometer getestet.
Die Feinstrukturkonstante legt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung zwischen Elementarladungen fest. Mit Atominterferometrie wurde sie jetzt auf zehn Nachkommastellen genau gemessen. Das ermöglicht neue Tests des Standardmodells der Teilchenphysik und liefert einen neuen atomaren Massenstandard. Holger Müller und seine Mitarbeiter von der University of California in Berkeley treiben die Möglichkeiten der Atominterferometrie auf immer neue, ungeahnte Höhen. So hatten sie im vergangenen Jahr die Schwerkraft gemessen, die ein kleiner Hohlzylinder auf durch ihn fallende Atome ausübt. Jetzt haben sie mit einem doppelten Atominterferometer gemessen, wie sich die kinetische Energie von Atomen durch den Rückstoß ändert, den sie bei Absorption oder Emission von Photonen erleiden. Daraus konnten sie die Feinstrukturkonstante mit bisher unerreichter Genauigkeit bestimmen.
Abb.: Das Atominterferometer mit vier Strahlteilern (senkrechte gestrichelte Linien) und einem Materiewellenbeschleuniger (senkrechter rosa Streifen) teilt die atomare Materiewelle in vier Teilwellen und führt sie wieder zusammen. Aus dem Interferenzsignal, das aus den Atomintensitäten A bis D gebildet wird, lässt sich die Feinstrukturkonstante ermitteln. |±n, ±N> bezeichnet die Photonenimpulse, die die Atome im jeweiligen Teilstrahl aufgenommen haben. (Bild: R. H. Parker et al. / AAAS)
Im Interferometer fallen Cäsium-133-Atome durch mehrere gepulste Laserstrahlen, die wie vier Strahlteiler wirken. Sie zerlegen die atomaren Wellenpakete in zunächst zwei und dann vier Teilwellen und vereinigen diese nach einer bestimmten Wegstrecke wieder. Abhängig von den Einflüssen, denen die vier Teilwellen auf ihren unterschiedlichen Wegen ausgesetzt sind, kommt es bei ihrer paarweisen Vereinigung je nach dem Phasenunterschied der Teilwellen zu konstruktiver oder destruktiver Interferenz. Die Verteilung der Atome auf die vier Ausgänge des Interferometers ergibt das Interferenzsignal.
Die vier Strahlteiler, die die Atome passieren, nutzen den Raman-
Aus dem Interferenzsignal lassen sich die Phasendifferenzen der Teilwellen ermitteln. Diese Phasendifferenzen hängen direkt von der Energie ab, die jeweils ein Photon bestimmter Frequenz durch Rückstoß auf ein Cäsiumatom überträgt. Daraus wiederum lässt sich das Verhältnis von Planck-
Abb.: Vergleich der aktuellen Messung der Feinstrukturkonstanten („This Work“) mit früheren Messungen: direkte atomare Messungen (grün), indirekte Bestimmungen aus Messungen des anomalen magnetischen Moments des Elektrons (rot; Bild: R. H. Parker et al. / AAAS)
Da die Rydberg-Konstante, die Lichtgeschwindigkeit und das Verhältnis von Atom- zu Elektronenmasse sehr genau bekannt sind, lässt sich daraus die Feinstrukturkonstante berechnen. Nachdem die Forscher sieben Monate lang Daten aufgenommen hatten, erhielten sie für den Kehrwert der Feinstrukturkonstanten den Wert 137,035999046(27). Das ist mehr als dreimal so genau wie der Wert, den frühere Messungen ergeben hatten. Ähnlich genau war eine indirekte Bestimmung aus dem gemessenen anomalen magnetischen Moment des Elektrons mittels der Quantenelektrodynamik.
Müller und seine Kollegen konnten aus ihrem neuen Wert einige weitreichende Schlüsse ziehen. Zunächst berechneten sie daraus das anomale magnetische Moment des Elektrons mit Hilfe der QED. Dabei war der berechnete Wert um 10-12 größer als der bekannte hochgenaue Messwert. Auf diese Weise wird es möglich, die Gültigkeit der QED-
Das dunkle Photon wird auch dafür verantwortlich gemacht, dass der gemessene Wert des anomalen magnetischen Moments des Myons von der Vorhersage des Standardmodells auffällig abweicht. Doch Müller und seine Kollegen glauben diese Erklärung auf Grund ihrer Ergebnisse ausschließen zu können, da die Existenz von dunklen Photonen ein zu großes anomales magnetisches Moment für das Elektron zur Folge hätte. Wie man sieht, mischt die Atominterferometrie schon kräftig bei der Suche nach einer Physik jenseits des Standardmodells mit.
Rainer Scharf
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