Roboterfußball, Neandertaler-Gene, Pluto-Abstieg
Einige Höhepunkte des Jahres 2006 aus wissenschaftlicher Sicht.
- Wissenschaft 2006
Hamburg (dpa) - Deutschland ist Fußballweltmeister 2006. Zwar schafften es die Kicker von Jürgen Klinsmann bei der WM der Menschen im Sommer nur auf den dritten Platz. Bei der zeitgleich ausgetragenen Weltmeisterschaft im Roboterfußball holten deutsche Teams dagegen in mehreren Spielklassen gleich elf Titel. Ernsthafter Hintergrund: Fußball ist für die Robotikforscher das ideale Experimentierfeld für autonome Maschinen, die etwa in der Industrie, der Raumfahrt oder im Katastrophenschutz zum Einsatz kommen können.
Auch sonst regte der Fußballrausch im WM-Jahr zahlreiche Wissenschaftler zu Höchstleistungen an. Forscher analysierten die Physik der Bananenflanke, die - schlechten - Chancen des Torwarts beim Elfmeter und räumten mit der Fußball-Weisheit auf, dass ein Angriff über die Flanken Erfolg versprechender ist als durch die Mitte. Und Orthopäden präsentierten eine neue Schuhtechnik für eine stärkere Schusskraft.
Weitere Höhepunkte feierten Forscher abseits des Rasens. So entzifferten Genforscher erste wichtige Teile des Neandertaler- Erbguts. Es gleicht demnach dem Genom des modernen Menschen zu mehr als 99 Prozent. Spanische Forscher berichteten von Knochenanalysen, denen zufolge der Neandertaler womöglich in besonders harten Zeiten zum Kannibalen wurde. Der ausgestorbene Vetter des modernen Menschen war vor 150 Jahren im Neandertal bei Düsseldorf entdeckt worden. Offen bleibt die Frage, warum der Neandertaler ausgestorben ist, und ob er sich mit dem modernen Menschen jemals gemischt hat.
Schlechte Nachrichten gab es vom Klima: Trotz aller Schutzbemühungen wuchs ein Rekord-Ozonloch über dem Südpol. Mit 27,45 Millionen Quadratkilometern war es so groß wie nie zuvor - das entspricht in etwa der Fläche der USA und Russlands zusammen. Gletscher und Polkappen schmelzen derweil weiter. Die Arktis könnte nach jüngsten Prognosen bereits Mitte des Jahrhunderts eisfreie Sommer erleben.
Auch für Deutschland sagen Forscher einen gravierenden Klimawandel voraus. Die Durchschnittstemperatur könnte bis Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad Celsius steigen - die Sommer werden dadurch vielerorts trockener, Dürre, Waldbrände und Kühlwasserknappheit für Kraftwerke würden drohen. Im Winter könnte auf der Zugspitze nur noch halb so viel Schnee fallen wie heute. Einziges Trostpflaster: Die Strandkorbsaison an den deutschen Küsten dürfte sich verlängern.
Für Überraschung sorgte im Sommer der Mathematiker Grigori Perelman. Das russische Genie, das ein rund 100 Jahre altes mathematisches Problem gelöst haben soll, lehnte eine der höchsten Auszeichnungen seiner Zunft ab. Er schlug die Fields-Medaille aus, die in der Bedeutung oft mit dem Nobelpreis verglichen wird, weil er sich von der Gemeinschaft der Mathematiker isoliert fühle, hieß es. Damit brüskierte Perelman nicht nur seine zahlreichen Fachkollegen, die zum Weltkongress der Internationalen Mathematischen Union nach Madrid gereist waren, sondern auch den spanischen König Juan Carlos, der die Auszeichnung überreichen sollte.
Die Astronomen degradierten kurz darauf auf ihrem Weltkongress in Prag den Pluto und schlossen ihn aus der Planetenriege unseres Sonnensystems aus. Der Merksatz «Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Neun Planeten» (für die Reihe Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto) verliert damit seine Gültigkeit - die Sonne hat nur noch acht Planeten und eine wachsende Zahl von Zwergplaneten. Um Pluto hatte es schon länger Zwist gegeben, da mit moderner Beobachtungstechnik ständig neue ähnlich große Objekte in den Außenbezirken unseres Sonnensystems entdeckt werden. Vorschläge für einen neuen Merksatz gibt es schon - etwa die nur leicht abgewandelte Version «Mein Vater Erklärt Mir Jeden Sonntag Unsere Nachbarplaneten».
Auf dem Mars entdeckte die NASA-Sonde «Mars Global Surveyor» nach Darstellung der US-Raumfahrtagentur die bislang deutlichsten Belege für flüssiges Wasser. Damit erhielten auch Spekulationen über mögliches - mikrobielles - Leben auf dem Mars neue Nahrung, denn flüssiges Wasser ist eine der Voraussetzungen dafür. Am Südpol unseres Mondes gibt es dagegen - entgegen früherer Annahmen - vermutlich keine großen Wasservorkommen, wie neue, hochauflösende Radarbilder zeigen. Wassereis könnte eine große Versorgungshilfe für die bemannte Mondstation sein, deren Bau an einem der beiden Mondpole die NASA in diesem Jahr angekündigt hat.
Von Till Mundzeck, dpa