Röntgenblick in Supraleitermaterialien
Neue Methode zur Untersuchung von Hochtemperatursupraleitern vorgestellt.
In dem Experiment haben die Forschenden das untersuchte Material mit Röntgenlicht aus der Swiss Synchrotron Source (SLS) beleuchtet und bestimmt, wie sich die Energie des Lichts auf dem Weg durch die Probe ändert. Das am Paul Scherrer Institut (PSI) verfügbare Verfahren „RIXS“ ist das erste, das für Untersuchungen an so dünnen Schichten empfindlich genug ist. Zurzeit werden mit diesem Verfahren schon supraleitende Materialien untersucht. In Zukunft könnte man damit Vorgänge in sehr dünnen Supraleitermaterialien erforschen und so zum Verständnis des Phänomens der Hochtemperatursupraleitung beitragen.
Abb.: Prinzip des RIXS-Experiments: Die Probe wird mit Röntgenlicht aus der SLS bestrahlt, das in der Probe eine Spinwelle anregt und dadurch Energie verliert. Indem man die Eigenschaften des abgelenkten Lichts untersucht, kann man Informationen über die Spinwellen gewinnen. (Bild: Brookhaven National Lab.)
Die physikalischen Vorgänge, die Materialien zu Hochtemperatursupraleitern machen, sind bis heute unbekannt. Von ihrer Aufklärung erhoffen sich Forschende Einblicke in ein faszinierendes Phänomen der Festkörperphysik aber auch Hinweise, wie man Supraleiter für den täglichen technischen Einsatz entwickeln könnte – die vielleicht sogar bei Zimmertemperatur supraleitend wären.
Nun haben Forschende des Brookhaven National Laboratory (USA) und des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz gemeinsam mit Kollegen der ETH Lausanne (EPFL) La2CuO4 untersucht, das als Ausgangmaterial für Hochtemperatursupraleiter genutzt wird. Es wird zu einem Supraleiter, wenn man die passende kleine Menge von Atomen anderer Elemente – wie etwa Strontium – beimischt.
„Die wichtigsten Bausteine eines Hochtemperatursupraleiters sind zweidimensionale Schichten aus Kupfer- und Sauerstoffatomen“, erklärt der Physiker Mark Dean aus Brookhaven. „Viele Physiker glauben, dass es eine magnetische Wechselwirkung ist, die dafür sorgt, dass sich Elektronen zu Paaren verbinden, was die Entstehung der Supraleitung ermöglicht. Daher ist das Verständnis dieser magnetischen Schichten unerlässlich, wenn man die Hochtemperatursupraleitung verstehen will.“
Die Forscher haben nun einzelne solche Kupferoxid-Lagen untersucht, indem sie zwischen die Lagen Schichten eines anderen Materials eingefügt und so die Lagen voneinander isoliert haben. So konnten sie untersuchen, wie stark die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Atomlagen für das Verhalten des Materials verantwortlich ist. Konkret haben sich die Forschenden „Spinwellen“ angesehen. Diese entstehen durch die Bewegung der Elektronenspins.
Im Material sind diese Spins durch magnetische Kräfte miteinander verbunden. Wenn man dann einen davon von der ursprünglichen Position auslenkt, breitet sich diese Auslenkung wie eine Welle durch das ganze Material aus – eine Spinwelle entsteht. Nun konnten die Forschenden in ihrem Experiment zeigen, dass sich das Verhalten dieser Spinwellen in einzelnen Lagen von denen in einem dickeren Stück des Materials nur wenig unterscheidet.
„Wir haben für die Messung das untersuchte Material mit Röntgenlicht aus der SLS bestrahlt und gemessen, wie sich die Energie des Lichts, das von der Probe abgelenkt wurde, von der des eingestrahlten Lichts unterscheidet. Aus dieser Differenz kann man die Eigenschaften der Spinwellen im Material bestimmen“, erklärt Thorsten Schmitt. Er betreibt am Paul Scherrer Institut den Messplatz ADRESS, an dem die Untersuchungen durchgeführt wurden. „Da wir hier einzelne Lagen untersucht haben, hatten wir nur sehr wenig Material, an dem das Licht unter Energieverlust abgelenkt werden konnte. Nur unsere Anlage kommt mit diesem sehr schwachen Signal aus.“ Diese Methode wird es nun erlauben, einzelne Lagen weiterer Materialien zu untersuchen – etwa von dotierten Supraleitermaterialien – und so helfen, dem Geheimnis der Hochtemperatursupraleitung auf die Spur zu kommen.
Es ist nicht ein Verfahren alleine, das solche Ergebnisse möglich macht. Theoretische Überlegungen von Wissenschaftlern um Henrik Rønnow von der ETH Lausanne vermitteln ein Verständnis der Ergebnisse und zeigen Richtungen für weitere Forschungen auf. Vor den Experimenten an der SLS wurden die Proben mithilfe von Myonen aus der Myonenquelle SμS des PSI untersucht. Dabei wurde die weltweit einzigartige Anlage zur Erzeugung von niederenergetischen Myonen genutzt, an der man gezielt die magnetischen Eigenschaften dünner Schichten untersuchen kann. Damit konnte man untersuchen, ob die einzelnen Lagen tatsächlich voneinander isoliert waren und sich nicht beeinflussten. Das eigentliche Untersuchungsobjekt – die einmalig dünnen Materialschichten – wurden von Ivan Boovi aus Brookhaven hergestellt. Derart dünne Schichten zu erzeugen, ist eine Kunst, die sonst niemand beherrscht.
PSI / PH