Röntgenstrahlen auf krummen Wegen
Röntgenstrahlen auf krummen Wegen
Röntgenstrahlen besitzen eine nur geringe Wechselwirkung mit der sie umgebenden Materie. Sie durchdringen daher die meisten Grenzflächen und Körper ohne nennenswerte Abweichung von ihrem geraden Weg. Daher fehlen geeignete Mittel, um einen Röntgenstrahl auch auf krumme Wege zu leiten, beispielsweise um den Strahl zu einer bestimmten Stelle zu transportieren. Forscher der Uni Göttingen haben nun gezeigt, dass sich auch Röntgenlicht durch gekrümmte Richtlichtleiter „um die Ecke“ führen lässt.
Abb.: Geometrie des Experimentes, bei dem ein miniaturisierter Kanal in einer Metallschicht als Röntgenlichtleiter wirkt. Der Strahl breitet sich entlang des gekrümmten Kanals aus und kann so in seiner Richtung verändert werden. Die Kanalbreite beträgt 1/10.000 Millimeter. (Bild: T. Salditt, U. Göttingen / A. Rehfeldt, az-design)
Bislang gingen die Wissenschaftler davon aus, dass ein kritischer Winkel mit materialabhängigen Werten im Bereich von wenigen hundertstel Grad die möglichen Ablenkungswinkel begrenzt. „In unserem Experiment mit hochbrillanter Röntgenstrahlung am Elektronensynchrotron DESY in Hamburg und der Europäischen Synchrotron-Strahlungsquelle in Grenoble konnten wir das Röntgenlicht in einem fünf Millimeter langen Lichtleiter mit Ablenkungswinkeln von bis zu dreißig Grad transportieren, weit mehr, als man für viele neue Anwendungen bräuchte“, erklärt Tim Salditt von der Uni Göttingen. Ohne Lichtleiter kommen viele Anwendungen besonders in der medizinischen Bildgebung und für industrielle Prüfverfahren nicht mehr aus: ob Endoskopie in der Medizin, interferometrische Vermessung von Objekten, Telekommunikation oder quantenoptische Grundlagenexperimente.
„Unsere Röntgen-Lichtleiter bestehen aus winzigen luftgefüllten Kanälen in einer Metallschicht, die auf einem Siliziumchip aufgebracht wurde“, so Salditt. „Die Röntgenstrahlung wurde dabei in die offene Stirnseite der Kanäle eingekoppelt und breitete sich entlang der auf Kreislinien angeordneten Kanäle aus. Die Funktionsweise dieser Wellenleiter beruht auf der speziellen Anpassung des Lichts auf die gekrümmte Kanalform.“ So gehen die Forscher davon aus, dass man mit solchen Kanälen in Zukunft kurze Röntgenpulse teilen und wieder zusammenführen könnte, um zum Beispiel die Pulsdauer von Röntgenlasern zu vermessen, deren Blitze kürzer als eine Billionstel Sekunde leuchten. Auch holografische Röntgenabbildungen mit mehreren Teilstrahlen ließen sich durch Nutzung dieser Lichtleiter realisieren.
GAU / RK