30.08.2012

Röntgenstrahlen mit Licht gemischt

Summenfrequenz macht sichtbar, wie Kristallatome mit rotem Licht wechselwirken.

Mit Laserstrahlung lassen sich zahlreiche nichtlineare optische Effekte hervorrufen, wie Frequenzverdopplung oder Summenfrequenzerzeugung, die vielfältige Anwendung gefunden haben. Freie-Elektronen-Laser als Quellen extrem intensiver Röntgenstrahlung erweitern den Bereich der nichtlinearen Optik hin zu wesentlich kurzwelligerer Strahlung. Forscher am SLAC National Accelerator Laboratory haben mit einem Röntgenlaser und einem optischen Laser durch Summenfrequenzerzeugung erstmals sichtbar gemacht, wie die Atome in einem Kristall mit Licht wechselwirken.

Abb.: Ein intensiver Röntgenstrahl, gemischt mit einem optischen Laserstrahl, wird von einem Diamantkristall inelastisch gestreut. Daraus gewinnt man weitreichende Einblicke in die Wechselwirkung des Kristalls mit Licht. (Bild: Nature)

Thornton Glover und seine Kollegen haben den sehr intensiven gepulsten Röntgenstrahl eines Freie-Elektronen-Lasers, der Linac Coherent Light Source (LCLS), mit einem gepulsten optischen Laserstrahl gemischt und auf einen Diamanten gerichtet. Während der Röntgenstrahl eine Pulsdauer von 80 Femtosekunden und eine Photonenenergie von 8 Kiloelektronenvolt hatte, dauerten die Lichtpulse, deren Photonenenergie 1,55 Elektronenvolt betrug, mit 2 Picosekunden wesentlich länger. So war sichergestellt, dass der Diamantkristall gleichzeitig vom roten Laserlicht angeregt und von der Röntgenstrahlung mit atomarer Auflösung analysiert werden konnte.

Die Röntgenpulse durchliefen den 0,5 Millimeter dünnen Diamantkristall und wurden dabei von der elektronischen Ladungsverteilung im Kristall gestreut. Die ursprünglich vorliegende Ladungsverteilung war durch das rote Laserlicht, das den Kristall angeregt hatte, räumlich moduliert worden. An diesen räumlichen Modulationen streuten die Röntgenphotonen inelastisch, wobei ihre Energie jeweils um die Energie eines roten Laserphotons zunahm. Es trat also ein nichtlinearer Effekt auf, bei dem Röntgenstrahlung mit der Summenfrequenz entstand. Die gemessene Effizienz lag bei 3×10-7, also auf 3 Millionen ursprüngliche Röntgenphotonen kam eines mit der Summenfrequenz.

Die SLAC-Forscher filterten aus der Röntgenstrahlung, die den Diamanten durchlaufen hatte, den Anteil mit der Summenfrequenz heraus. Anschließend zählten sie mit einem Detektor, wie viele Summenfrequenz-Photonen in eine bestimmte Richtung gestreut wurden. Demnach hatte der Summenfrequenzstrahl eine sehr scharfe Winkelverteilung mit einer Breite von acht Mikroradiant. Die Pulsdauer der gestreuten Röntgenstrahlung betrug etwa eine Picosekunde und war damit deutlich länger als die Pulsdauer des ursprünglichen Röntgenstrahls. Die Forscher erklären diese Verbreiterung damit, dass die Laserstrahlung und das rote Licht unterschiedlich schnell im Diamanten vorankommen.

Abb.: Die elektronische Ladungsdichte im Diamanten (a) erfährt durch das optische Laserlicht eine Modulation (b), sodass sie sich deutlich verändert (c). (Bild: T. E. Glover et al., Nature)

Sodann veränderten die Forscher die Polarisationsrichtung des linear polarisierten optischen Laserstrahls und zählten die gestreuten Röntgenphotonen. Ihre Zahl hing erwartungsgemäß wie (cos φ)2 vom Winkel φ ab, den die Polarisationsrichtung des optischen Laserstrahls mit der Streuebene (aufgespannt vom einfallenden und vom gestreuten Röntgenstrahl) bildete. Das Signal war somit maximal wenn der Polarisationsvektor in der Streuebene lag und minimal wenn er zu ihr senkrecht stand. So wird es möglich, Informationen über die Polarisationsabhängigkeit der Ladungsdichtemodulationen zu gewinnen, an der die Röntgenstrahlung inelastisch gestreut wird.

Ändert man systematisch den Winkel, unter dem der einfallende Röntgenstrahl auf den Diamantkristall trifft, und misst dabei die Intensität der inelastisch gestreuten Röntgenstrahlung in Abhängigkeit vom Streuwinkel, so könnte man die vom Laserlicht hervorgerufenen elektronischen Ladungsdichtemodulationen im Diamanten mit atomarer Auflösung bestimmen – so wie man bei der herkömmlichen Röntgenkristallographie die ungestörte elektronische Ladungsdichte ermittelt. Indem man den Zeitabstand zwischen dem Licht- und dem Röntgenpuls verändert, könnte man sogar die zeitliche Entwicklung der Modulationen sichtbar machen. Doch solch detaillierte und aufwendige Messungen haben die SLAC-Forscher noch nicht durchgeführt.

Stattdessen haben sie für spezielle Einfallswinkel die Intensität der inelastisch gestreuten Strahlung gemessen und die Ergebnisse mit den Vorhersagen von Modellrechnungen verglichen. Bei diesen Rechnungen wurde angenommen, dass die elektronische Ladungsdichte in den chemischen Bindungen der Kohlenstoffatome durch das Laserlicht verändert wird. Die gemessene und die berechnete inelastische Streuung stimmten gut überein. Demnach polarisiert das rote Laserlicht die elektronischen Ladungswolken zwischen benachbarten Kohlenstoffatomen vor allem in der Nähe der Atome, wo die elektronische Ladungsdichte besonders groß ist.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass man durch Mischung von intensiver Röntgenstrahlung mit sichtbarer oder ultravioletter Lichtstrahlung weitreichende und detaillierte Einblicke in die Wechselwirkung von Kristallen mit Licht gewinnen kann. So könnte man zum Beispiel beobachten, wie durch Anregung mit Licht die chemischen Bindungen zwischen den Kristallatomen delokalisieren oder sogar aufbrechen. Dank der Röntgenlaser eröffnen sich dabei für die Optik und die Materialwissenschaften vielfältige Möglichkeiten.

Rainer Scharf

PH

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