Rohstoff-Versorgung ist nicht nur eine Energiefrage
Deutschland leidet unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen und ist als großes Industrieland immer abhängiger von Drittland-Importen außerhalb der EU geworden.
Berlin (dpa) - Eisenerz stammte Anfang der 60er Jahre noch zu gut einem Drittel aus heimischer Förderung. Die Stahlindustrie konnte sich darauf verlassen. Heute kommen die jährlich benötigten rund 45 Millionen Tonnen vollständig aus dem Ausland. Mehr ist nicht erforderlich - haben doch viele Hütten wie auch die meisten Kohlegruben mit schmerzhaften Arbeitsplatzverlusten längst dichtgemacht. Entsprechend ging auch die Inlandsproduktion der Steinkohle zurück, während sich ihr Import - zumeist aus den USA - von knapp 17 Millionen Tonnen im Jahr 1991 auf inzwischen knapp 45 Millionen beinahe verdreifachte. Kurzum: Deutschland leidet unter hohen Energie- und Rohstoffpreisen und ist als großes Industrieland immer abhängiger von Drittland-Importen außerhalb der EU geworden.
Das ist auch bei Erdöl und dem Erdgas so, das in der Regel mit halbjährigem Abstand und meist ohne Begründung den Preissteigerungen am Weltölmarkt folgt. Vom Jahr 2000 bis Anfang 2008 haben sich die Preise der eingeführten Rohstoffe - Energie, Metalle und Mineralien - mehr als verdreifacht, stellte das industrienahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW), jetzt heraus. Energieimporte allein waren gut 3,5 mal teurer. Dies merken private Haushalte und Gewerbe als Verbraucher von Gas, Öl und Sprit sofort im Geldbeutel. Als Faustformel ergibt sich laut IW folgende Rechnung: Steigt der Ölpreis an den Weltölmärkten um 10 Dollar, wird es für den Autofahrer an der Zapfsäule 5 Cent je Liter Sprit teurer.
Trotz der einige Monate dauernden, inzwischen abgebrochenen Erdöl-Hausse mit Preisen in Richtung 150 Dollar je Barrel (159 Liter) signalisiert dies nach Aussagen der Fachleute noch immer kein baldiges Versiegen der Erdöl- und Erdgas-Quellen. Zwar belaufe sich die (statische) Reichweite von Gas auf 134 Jahre und von Erdöl nur auf 63 Jahre. Der Wert der statischen Reichweite gibt aber nur die Zeitspanne an, für die die derzeit bekannten Reserven eines Rohstoffs reichen, wenn die aktuellen Verbrauchswerte zugrunde gelegt werden. Diese Werte könnten im Fall neuer Funde ansteigen. «Da aber gerade die Nutzung nicht konventioneller Ölvorräte wie Ölschiefer mit erheblichen Kosten verbunden ist, sind weitere Preissteigerungen spätestens Mitte des Jahrhunderts zu erwarten.» Berücksichtige man die kanadischen Ölsande, betrügen die förderbaren Reserven fast 1400 Milliarden Barrel.
Es ist das Verdienst des Instituts, auf die gefährliche Entwicklung bei den sonstigen Rohstoffen hinzuweisen. Ganze Zweige wie die Edelstahlverarbeitung oder Chemieindustrie könnten bei Ausbleiben von Chrom aus Südafrika, Indien oder Kasachstan (sie vereinigen 74 Prozent der weltweiten Vorräte) ausgeblutet werden. Nicht anders erginge es der Automobilindustrie, wenn die ebenso unersetzbaren Platin-Metalle aus Südafrika, Russland oder Kanada (zusammen 92 Prozent) ausblieben. Das Ergebnis wären weitere Verteuerungen zur Umstellung auf andere Produktionen oder gar Betriebsschließungen mit Jobverlusten.
Gleichwohl bleibt der Fokus auf die sich immer weiter drehende Preisspirale bei Öl, Gas, Sprit und Strom gerichtet. Was bei einzelnen Metallen nicht möglich ist, funktioniert im Energiesektor. Dort sind Wirtschaft und Politik mitten in der Umstrukturierung und Abnabelung von Importen: So muss Russland - ob im Streit mit der Ukraine oder Georgien - erst unter Beweis stellen, ob es bei Bedarf die Erdgas-Versorgung gen Westen nicht einfach kappt.
Zum Ziel Versorgungssicherheit zu bezahlbaren Preisen ist das Klimaschutz-Diktat hinzugekommen. Damit liegt der Fokus der deutschen und EU-Strategie auf dem Ausbau von Windenergie und Co. sowie energiesparenden Technologien. Um den Anschub für stromsparende Kühlschränke, spritsparenden Autos sowie ökologische Heizsysteme zu geben, kommt es jetzt auf die Verbraucherförderung an. Darum und um das Geld aus der Haushaltskasse streiten die Minister in Berlin.
Wolfgang Bunse, dpa