11.05.2018

Rollende Wassermoleküle

Hohe Mobilität der Moleküle ist für die Glätte von Eisoberflächen verantwortlich.

Wintersport­arten wie Skifahren, Eiskunstlauf und Eisstock­schießen erfordern die rutschigen Ober­flächen von Eis und Schnee. Während die Tatsache, dass die Eisober­fläche rutschig ist, allgemein bekannt ist, ist sie bei weitem noch nicht voll­ständig verstanden. Im Jahr 1886 bot John Joly, ein irischer Physiker, die erste wissen­schaftliche Erklärung für die geringe Reibung auf Eis: Wenn ein Objekt wie etwa ein Schlitt­schuh die Eisfläche berührt, ist der lokale Druck durch die Kufen so hoch, dass das Eis schmilzt, wodurch eine flüssige Wasser­schicht erzeugt wird, die das Gleiten ermög­licht. Der aktuelle Stand der Forschung ist jedoch, dass diese oberste Eisschicht nicht durch Druck, sondern durch Reibungs­wärme, die während des Gleitens erzeugt wird, geschmolzen wird.

Abb.: In den Experimenten gleitet eine Stahlkugel über die Eisoberfläche, die aus schnell taumelnden mobilen Wassermolekülen besteht, die nur lose an das darunter liegende Eis gebunden sind. (Bild: Nagata, MPI-P)

Ein durch die beiden Brüder Daniel Bonn von der Univer­sität Amsterdam und Mischa Bonn vom Max-Planck-Institut für Polymer­forschung in Mainz gelei­tetes Forscher­team hat nun gezeigt, dass Reibung auf Eis komplexer ist als bisher ange­nommen. Durch makro­skopische Reibungs­experimente bei Temperaturen zwischen 0 °C und -100 °C konnten die Forscher zeigen, dass sich die Eisober­fläche bei typischen Wintersport­temperaturen von einer extrem rutschigen Oberfläche zu einer Ober­fläche mit hoher Reibung bei -100 °C verwandelt.

Um den Ursprung dieser temperatur­abhängigen Gleit­fähigkeit zu untersuchen, führten die Forscher spektro­skopische Messungen des Zustands von Wasser­molekülen an der Oberfläche durch und verglichen diese mit Molekül­dynamik-Simulationen. Diese Kombi­nation von Experiment und Theorie zeigt, dass zwei Arten von Wasser­molekülen an der Eisober­fläche exis­tieren: Wasser­moleküle, die an das darunter liegende Eis durch drei Wasserstoff­brücken­bindungen& gebunden sind und mobile Wasser­moleküle, die nur durch zwei Wasserstoff­brücken­bindungen verknüpft sind. Diese mobilen Wasser­moleküle rollen wie kleine Kugeln über die Eisober­fläche. Hierbei werden sie von ther­mischen Schwingungen ange­trieben.

Wenn die Temperatur steigt, werden die beiden Arten von Oberflächen­molekülen ineinander umge­wandelt: Die Anzahl der mobilen Wasser­moleküle erhöht sich mit zuneh­mender Temperatur, während die fixierten sich ver­ringern. Bemerkens­werterweise stimmt diese Beweg­lichkeit mit der Temperatur­abhängigkeit der gemessenen Reibungs­kraft perfekt überein: Je größer die Beweg­lichkeit der Wasser­moleküle an der Oberfläche, desto geringer die Reibung und umgekehrt. Die Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass die hohe Mobilität der Oberflächen­wasser­moleküle für die Glätte von Eis verant­wortlich ist, und nicht eine dünne Schicht flüssigen Wassers auf dem Eis.

Obwohl die Oberflächen­mobilität bis zu einer Temperatur von 0 °C weiter ansteigt, ist der Gefrier­punkt nicht die ideale Temperatur für das Gleiten auf Eis. Die Expe­rimente zeigen, dass die Reibung bei -7 °C tatsäch­lich am geringsten ist. Genau die gleiche Temperatur wird bei der Präpa­ration von Eisschnell­laufbahnen verwendet. Die Forscher konnten zeigen, dass bei Tempera­turen zwischen -7 °C und 0 °C das Gleiten schwieriger wird, da das Eis weicher ist und das Gleit­objekt somit tiefer in das Eis eindringt.

MPI-P / JOL

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