Seit seiner erfolgreichen Landung am 12. November 2014 steht Lander Philae auf der Oberfläche des Kometen Churyumov-Gerasimenko. Nicht an der gemütlichen Stelle, die für seine Landung ausgewählt worden war, sondern nach drei Hüpfern dort, wo es rau und schattig ist. Nun erhält der Lander auf dem Kometen allerdings Gesellschaft: Die Raumsonde Rosetta, die bisher um den Kometen kreiste, wird am 30. September 2016 ebenfalls auf Churyumov-Gerasimenko abgesetzt. Auch wenn die vierte Landung keine Landung im wörtlichen Sinne, sondern vielmehr ein sanfter Impakt ist – Orbiter und Lander werden dann wieder vereint auf dem Kometen um die Sonne reisen. „Natürlich ist es in gewisser Weise ein sentimentaler Anlass, wenn eine Mission, an der man über zwei Jahrzehnte gearbeitet hat, mit so einem Impakt endgültig zu Ende geht”, sagt Philae-Projektleiter Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Andererseits haben wir so viele Daten gewonnen, dass man auch nicht traurig sein sollte.”
Abb.: Rosetta soll in der Ma’at-Region abgesetzt werden, eine besonders aktive Region. (Bild: ESA / Rosetta / Nav-Cam.)
Der letzte Kontakt zu Philae fand am 9. Juli 2015 statt, für Rosetta wird die Kommunikation mit dem Aufschlagen auf dem Kometen enden. Doch zuvor wollen die Wissenschaftler möglichst langsam in Richtung Kometenoberfläche absinken, um währenddessen die letzten Messungen durchzuführen und die letzten Fotos aufzunehmen. Rosetta soll in der Ma’at-Region – ebenfalls auf dem Kopf des „entenförmigen” Kometen – ihre Reise beenden. „Ein besonders aktives Gebiet, mit Löchern, aus denen Gas und Staub ins All geschleudert wird”, erläutert Ulamec. Vor über zwei Jahren, als Philae sich zur ersten Kometen-Landung überhaupt von der Rosetta-Sonde trennte, wäre exakt so ein Gebiet nicht erwünscht gewesen. „Wir wollten ja möglichst zielgenau an einem recht sicheren Ort landen”. Dass es dann doch anders kam, weil die Harpunen des Landers diesen beim ersten Bodenkontakt nicht verankerten, war nicht geplant. Dennoch arbeitete das Team des DLR-Kontrollzentrums mit Philae – und konnten so 55 Stunden lang an dem unvorhergesehenen Standort wissenschaftliche Daten gewinnen. Erstmals wurde direkt auf einer Kometenoberfläche geschnüffelt, gehämmert, gebohrt und fotografiert.
„Bei Rosetta ist aber vielmehr der Weg das Ziel", so der Philae-Projektleiter. Mehrere Instrumente sind nämlich während seines Abstiegs eingeschaltet – die Kunst ist es jedoch, rechtzeitig die letzten gewonnenen Daten vor dem Aufprall zur Erde hinunterzuladen. Noch rund 15 Sekunden vor dem Aufschlag – und damit dem Verlust der Kommunikation – soll das letzte Foto aufgenommen und zur Erde gesendet werden. Philae hatte im November 2014 seine Daten bis zur letzten Lebenssekunde seiner aufgeladenen Batterie gesendet und war dann bis zum Wiederaufladen mit Sonnenenergie in Winterschlaf gefallen. Bei seinen späteren Kontakten zum Bodenteam konnten nur wenige Daten empfangen werden. Wahrscheinlich wurden Philaes Sender durch die niedrigen Temperaturen in Mitleidenschaft gezogen, dies könnte die Ursache für die unregelmäßigen Kontakte und das anschließende Schweigen sein. Bei Rosetta hoffen alle, dass der Kontakt nicht frühzeitig abbricht und man so wertvolle Daten nicht mehr gesendet werden könnten. Alleine die Analyse der bisher gewonnenen Daten der ESA-Mission Rosetta wird die Wissenschaftler noch viele Jahre beschäftigen. „Die Resultate werden unser Bild von Kometen über viele Jahre prägen und unser Verständnis zur Entstehung des Sonnensystems und zu den Ursprüngen des Lebens vertiefen”, ist sich Ulamec sicher.
Der Abschied von Rosetta wird ein langsamer sein: Seit dem 26. September 2016 sind die letzten dichten Überflüge beendet, und die Sonde wird auf ihren Abstieg vorbereitet. Fast 720 Millionen Kilometer wird Komet Churyumov-Gerasimenko von der Erde entfernt sein, wenn Rosetta gemächlich in Schrittgeschwindigkeit auf die Kometenoberfläche zufliegt. Gegen 13.20 Uhr mitteleuropäischer Zeit (mit einer Toleranz von plus/minus 20 Minuten) wird auf der Erde das Signal von Rosetta ausbleiben. Der Aufprall auf dem Kometen ist dann bereits Geschichte, denn das letzte Signal der Sonde hat eine Laufzeit von rund 40 Minuten.
Mit Rosettas Aufprall am 30. September 2016 findet eine Mission ihr Ende, die am 2. März 2004 ins All startete, deren Idee und Entwicklungszeit aber noch viel weiter zurückreichen. „Es ist wichtig, nun mehr über die kleinen Körper im Sonnensystem – also über Kometen und Asteroiden – zu lernen", sagt Ulamec. „Ohne Nachfolgemissionen würde die weltweit einzigartige Kompetenz zum Bau und Betrieb von Sonden wie Rosetta oder Lander wie Philae wieder verloren gehen.” Zurzeit fliegt Lander Mascot an Bord der japanischen Hayabusa-2-Sonde zum Asteroiden Ryugu und soll dort im Sommer 2018 ankommen. Mascot wird dann vom DLR-Kontrollraum in Köln aus auf dem Asteroiden landen. Mit der Mission AIM (Asteroid Impact Mission) und dem Lander Mascot 2 ist zudem eine weitere Mission zum einem Asteroiden als möglicher Kandidat für eine zukünftige Mission im Rennen.
Wie fasziniert die Öffentlichkeit die Mission verfolgte, zeigt sich auch im Erfolg der Ausstellung „Kometen. Die Mission Rosetta. Eine Reise zu den Ursprüngen des Sonnensystems”, die das DLR seit dem 9. August 2016 in Kooperation mit dem Museum für Naturkunde Berlin und der Max-Planck-Gesellschaft zeigt: Seit der Eröffnung haben bereits über 100.000 Menschen die Sonderausstellung im Museum für Naturkunde Berlin gesehen.
DLR / DE