05.08.2022

Rotierende Mikroschwimmer

Ausgeklügelte Navigation beruht auf physikalische Mechanismen.

Um zu überleben, müssen biologische Organismen auf ihre Umwelt reagieren. Während Menschen oder Tiere über ein komplexes Nerven­system verfügen, um ihre Umgebung wahr­zunehmen und bewusste Entschei­dungen zu treffen, haben einzellige Organismen andere Strategien entwickelt. Beispiels­weise bewegen sich kleine Organismen wie Parasiten und Bakterien durch enge Kanäle wie Blutgefäße. Sie tun dies oft in einer regelmäßigen, oszil­lierenden Weise, die auf hydro­dynamischen Wechsel­wirkungen mit der begrenzenden Wand des Kanals beruht.

Abb.: Aktive Mikroschwimmer können sich zu Clustern zusammen­schließen, die...
Abb.: Aktive Mikroschwimmer können sich zu Clustern zusammen­schließen, die spontan zu rotieren beginnen und wie mikro­skopische Hub­schrauber aufsteigen. (Bild: Maass, MPI-DS)

„In unseren Experimenten konnten wir das theoretische Modell bestätigen, das die spezifische Dynamik der Mikro­schwimmer in Abhängigkeit von ihrer Größe und den Wechsel­wirkungen mit der Kanalwand beschreibt“, sagt Corinna Maass vom Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbst­organisation. Diese regelmäßigen Bewegungs­muster könnten auch genutzt werden, um Mechanismen für die gezielte Verabreichung von Medikamenten zu entwickeln – sogar für den Transport von Gütern gegen die Strömung. Maass untersuchte mit ihren Kollegen, wie sich bewegte Mikro­schwimmer gegenseitig beeinflussen. In ihrem Versuchsmodell bewegen sich kleine Öltröpfchen in einer Seifen­lösung selbst­ständig, indem sie kleine Mengen Öl absondern und so einen Antrieb erzeugen.

Ähnlich wie ein Flugzeug Kondens­streifen hinterlässt, erzeugen die Mikroschwimmer eine Spur von verbrauchtem Treibstoff, die andere Schwimmer abstoßen kann. Auf diese Weise können sie erkennen, ob ein anderer Mikroschwimmer kurz zuvor an der gleichen Stelle gewesen ist. „Interessanter­weise führt dies bei einzelnen Mikro­schwimmern zu einer selbstausweichenden Bewegung, während ein Ensemble von ihnen dazu führt, dass die Tröpfchen zwischen den Spuren der anderen gefangen werden“, sagt Babak Vajdi Hokmabad. Die Abstoßung des zweiten Tropfens auf der Flugbahn eines zuvor vorbei­ziehenden Tropfens hängt von seinem Annäherungs­winkel und der nach dem ersten Schwimmer verstrichenen Zeit ab. Diese experimentellen Ergebnisse bestätigen auch die theoretischen Arbeiten auf diesem Gebiet, die zuvor von Ramin Goles­tanian durchgeführt wurden.

Schließlich untersuchte die Gruppe auch das kollektive hydro­dynamische Verhalten von mehreren Mikro­schwimmern. Es stellte sich heraus, dass sich mehrere Tröpfchen zu Clustern zusammen­schließen können, die spontan wie Luftkissenboote zu schweben beginnen oder sich wie mikro­skopische Hubschrauber erheben und drehen. Die Rotation des Clusters beruht dabei auf einer koopera­tiven Kopplung zwischen den einzelnen Tröpfchen, die zu einem koor­dinierten Verhalten führt – obwohl einzelne Tröpfchen sich nicht auf diese Weise bewegen. Solche koor­dinierten Anord­nungen stellen somit ein weiteres physi­kalisches Prinzip dar, wie Mikroschwimmer sich fortbewegen können – und das ohne dabei Gehirn oder Muskeln zu benutzen.

MPI-DS / JOL

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