Rückwärts drehende Planeten
Mögliche Erklärung für exzentrische Trabanten: Gravitative Einflüsse können die Orientierung der protoplanetaren Scheibe auf den Kopf stellen.
Auch in unserem Sonnensystem decken sich die Drehachse des Zentralgestirns und die Bahnachse der Planeten nicht sauber: Im Mittel weichen sie um sieben Grad voneinander ab. Von Exoplaneten, die man in den letzten Jahren in großer Zahl um ferne Sterne entdeckt hat, sind noch weit exzentrischere Orbits bekannt. Manche von ihnen besitzen sogar eine gegenläufige Drehrichtung; sie ziehen ihre Bahn also entgegen dem Drehsinn ihres Sterns. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. In Einzelfällen ist es durchaus denkbar, dass Planeten aufgrund von chaotischer Dynamik in der Frühzeit eines Sternensystems aus ihrer Bahn geworfen wurden, um schließlich einen Orbit mit entgegengesetzter Laufrichtung zu finden.
Abb.: Die Anwesenheit eines zweiten Sterns in größerer Entfernung (horizontale Ebene) führt zur Änderung der Orientierung der protoplanetaren Scheibe. (Bild: K. Batygin / NPG)
Solche Modelle können aber schwer erklären, warum manchmal gleich mehrere Planeten mit einer im Vergleich zu ihrem Stern gekippten Bahnachse unterwegs sind. Bereits die protoplanetare Scheibe könnte nach der Entstehung der Sonne durch gravitative Wechselwirkung ihre Orientierung geändert haban, etwa aufgrund eines oder mehrerer vorbeiziehende Sterne. Vermutlich war dies der Auslöser für die leicht schräg gestellten Drehachsen der Planeten in unserem Sonnensystem.
Weit stärker kann jedoch der Einfluss durch einen zweiten Stern sein, der sich in einem Doppelsternsystem in einem größeren Abstand befindet. Unter der Annahme, dass sein Drehimpuls denjenigen der protoplanetaren Scheibe deutlich übersteigt, kann er diese Scheibe durch periodische Anregung bis zum zweifachen Winkel dessen kippen, den er selbst im Vergleich zur Drehachse des ersten Sterns besitzt. Damit kann er auch gegenläufige Umlaufbahnen hervorrufen, sofern die Bahnneigung des Begleitsterns 45 Grad übersteigt.
Konstantin Batygin, Planetenforscher am Caltech, räumt ein, seine Simulationen besäßen aufgrund der gewählten nötigen Vereinfachungen noch einen stärker qualitativen Charakter. Insbesondere was die Zeiträume betrifft, innerhalb derer protoplanetare Scheiben ihre Orientierung ändern, seien präzise Vorhersagen schwierig. Eine gute Abschätzung ist hier aber wichtig, um den vergleichsweise schnellen Prozess der Planetenbildung besser einordnen zu können und damit auch die Stärke der gravitativen Beeinflussung der protoplanetaren Scheibe. Künftige Arbeiten sollen hier Aufschluss bringen.
Eine Methode, um die Bahnneigung von Planeten im Vergleich zur Drehachse des Sterns zu messen, beruht auf dem sogenannten Rossiter-McLaughlin-Effekt. Ein rotierender Stern sendet auf beiden Seiten leicht doppler-verschobene Spektren aus; auf der in Richtung Beobachter drehenden Seite sind sie leicht blau-, auf der anderen leicht rotverschoben. Ein an diesem Stern vorbeiziehender Planet verdeckt zunächst die eine, dann die andere Seite, so dass eine leichte Modulation der spektralen Anteile sichtbar wird. Mit Hilfe dieses Effekts konnte man nachweisen, dass immerhin etwa ein Viertel aller „heißen Jupiter“, also der nahe an ihrem Stern befindlichen massereichen Gasplaneten, einen gegenläufigen Drehsinn besitzen.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
OD