29.08.2013

Sagittarius A* hat keinen Appetit

Großteil des Gases um das supermassereiche Schwarze Loch im Herzen der Milchstraße strömt wieder hinaus.

Im Zentrum der meisten Galaxien befinden sich gigantische Schwarze Löcher, die etliche Milliarden Sonnenmassen in sich vereinen können. Dasjenige in unserer Milchstraße besitzt den Namen Sagittarius A*, kurz Sgr A*, und bringt „nur“ gut vier Millionen Sonnenmassen auf die Waage. Wie die meisten anderen dieser supermassereichen Schwarzen Löcher verhält es sich jedoch auffallend ruhig. Theoretisch könnte es um viele Größenordnungen heller strahlen. Es sendet auch nur schwache Jets aus, die lediglich etwa zehn Lichtjahre weit reichen.

Abb.: Sgr A* und Umgebung (Röntgenstrahlung: blau, IR: violett und gelb); der Ausschnitt rechts oben zeigt eine vergrößerte Röntgenansicht und entspricht einem halben Lichtjahr. (Bild: X-ray: NASA / U. Mass / Q. D. Wang et al.; IR: NASA / STScI)

In der Zentralregion unserer Galaxie und damit im direkten Einflussbereich von Sgr A* befinden sich viele Sterne, deren Sonnenwind große Mengen an Gas erzeugt. Gelangten diese in das Schwarze Loch, müsste es wesentlich heller strahlen. Allein über hundert Sterne in dessen Umgebung sind durch direkte Beobachtungen bekannt; Astronomen vermuten dort noch tausende weitere. Einfache theoretische Abschätzungen zwischen dem Gasdruck des ausgesandtem Sternenwindes und der Gravitationskraft des supermassereichen Schwarzen Lochs führen zu einer Akkretionsrate von etwa einer Millionstel Sonnenmasse pro Jahr. Dies sollte Sgr A* aber rund eine Millionen mal heller strahlen lassen als beobachtet.

Im sichtbaren Spektral-Bereich kann man das Zentrum unserer Galaxie nicht untersuchen, da es hinter dicken Staubwolken verborgen liegt. Ein internationales Team von Astronomen hat deshalb eine mehrwöchige Beobachtungskampagne mit dem Chandra-Röntgenteleskop durchgeführt, die zwischen dem Februar und Oktober 2012 stattfand. Die Auflösung von Chandra ist im Röntgenbereich unübertroffen.


Röntgenteleskope müssen aufgrund der Absorption der Erdatmosphäre aus dem All operieren und sind deshalb in der Größe limitiert. Außerdem lassen sich ihre Optiken nicht so perfekt zum theoretischen Maximum hin optimieren wie Radio- oder optische Teleskope. Sie bilden deshalb nur rund ein Hundertstel so scharf ab wie diese. Chandra erreicht aber immerhin Auflösungen unterhalb einer Bogensekunde.

Außerdem nutzten die Astronomen Infrarotaufnahmen des Galaxiezentrums, die von Hubble stammten. Die Röntgenemissionen entsprachen in ihrer räumlichen Ausdehnung von etwa vierzig Millionen Kilometern ungefähr anderen Strahlungsquellen. Die Wissenschaftler beschrieben die Röntgenstrahlung als aus zwei Quellen zusammengesetzt: Der größere Teil stammte aus einer ausgedehnten Wolke von rund zwei Bogensekunden Durchmesser, innerhalb derer sich einige Tausend Sterne befinden sollten. Das Schwarze Loch selbst konnten sie als Punktquelle identifizieren.

Die Forscher arbeiteten mit High Energy Transmission Gratings in Kombination mit dem Advanced CCD Imaging Spectrometer an Bord von Chandra. Dank der hohen räumlichen, zeitlichen und spektralen Auflösung konnten die Astronomen ein Temperatur- und Dichteprofil der Gaswolken um Sgr A* erstellen. Ihr überraschendes Ergebnis war, dass absolute Großteil der im Galaxienzentrum erzeugten Gasmassen nicht in die unmittelbare Nähe des Schwarzen Loches gelangt, sondern aus der Umgebung ausgestoßen wird.

Die Forscher schlossen dies vor allem aus einem sehr flachen Dichteprofil, was für einen beinahe perfekt ausgeglichenen Zu- und Abfluss von Gas spricht. „Nur knapp ein Prozent der Materie, die anfangs in den Einflussbereich des Schwarzen Loches gerät, erreicht schließlich die innerste Region um Sagittarius A*“, berichtet Daniel Wang von der University of Massachusetts. Die erstaunliche Ineffektivität des Akkretionsprozesses erklärt die geringe Luminosität dieses und wahrscheinlich auch vieler anderer supermassereicher Schwarzer Löcher.

Die Astronomen vermaßen auch die relative Stärke verschiedener Absorptionslinien, insbesondere von Eisen in hohen Ionisationsstufen. Dadurch konnten sie die These widerlegen, dass die diffuse Röntgenstrahlung aus der Überlagerung koronaler Flares vieler schnell rotierender Sterne stammt. Denn weder die Stärke der Emissionslinien, noch deren Variabilität sprachen für eine solche Quelle. Der Ursprung der diffusen Röntgenemissionen lag nach Ansicht der Forscher deshalb im heißen Gas, das durch die Sternenwinde großer und sehr heißer Sterne befeuert wird.

Wahrscheinlich liegt hier auch der Grund für die Schwäche der Akkretion von Sgr A*. Denn Schwarze Löcher können kaltes Gas einfacher „verspeisen“. „Je heißer die Gase sind, desto schwieriger wird es für das Schwarze Loch, diese in sich hinzuziehen“, so Wang.

Das derzeit schlummernde Schwarze Loch im Herzen der Milchstraße könnte in den kommenden Monaten allerdings aufwachen: Eine große Gaswolke befindet sich auf Kurs in seine Richtung. Gelangt sie in seine unmittelbare Nähe, dürfte das Schwarze Loch sich an ihr gütlich tun. Die dabei freiwerdenden Energiemengen könnten es über eine Million mal heller aufleuchten lassen und Astronomen einzigartige Möglichkeiten zum Studium dieses Objektes liefern.

Dirk Eidemüller

PH

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe
ANZEIGE

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Meist gelesen

Themen