Sauerstoff mit drei Armen
Ungewöhnlich stabile Bindung von Sauerstoff an drei Kohlenstoffatome beobachtet.
Das Leben, wie wir es kennen, basiert auf nur einer Handvoll verschiedener Arten von Atomen, darunter Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Jede Atomart kann abhängig von der Anzahl der verfügbaren Elektronen eine charakteristische Anzahl von Bindungen eingehen. Dementsprechend sagen Chemielehrbücher, dass Kohlenstoff bis zu vier Bindungen, Stickstoff bis zu drei und Sauerstoff nur eine oder zwei Bindungen haben kann. Nun hat ein Team unter der Leitung von Jani Kotakoski von der Universität Wien und Jannik Meyer von der Universität Tübingen die Bindung einer großen Anzahl von Stickstoff- und Sauerstoffatomen mit modernster Raster-Transmissions-Elektronenmikroskopie untersucht. Möglich wurde dies durch die Einbettung der Atome in das Kohlenstoffmaterial Graphen, das nur ein Atom dick ist.
Die Forscher stellten fest, dass Stickstoff- und Sauerstoffatome in einer Vielzahl von Konfigurationen an ihre Nachbarn binden. Die Studie bestätigte größtenteils das aus dem Lehrbuch bekannte Bild, das nun mit direkten Aufnahmen der Atome sichtbar gemacht werden konnte: Stickstoffatome waren an zwei oder drei Kohlenstoffatome gebunden, während die meisten Sauerstoffatome zwei Kohlenstoffnachbarn hatten.
„Was uns jedoch wirklich überraschte, war das zusätzliche Vorhandensein von Strukturen mit Sauerstoff, die an drei Kohlenstoffnachbarn gebunden sind“, sagt Christoph Hofer, der Hauptautor der Studie. „Die Ausnahme von Sauerstoff mit drei Bindungen war bisher nur in einem ungewöhnlich stark geladenen Zustand bekannt, dem sogenannten Oxonium, das schwer zu stabilisieren ist“, erklärt er. Dies steht im Gegensatz zu der aktuellen Studie, in der die Strukturen bemerkenswert stabil waren, sodass sie im Mikroskop abgebildet werden konnten. Die Studie ergab auch eine „gepaarte Sauerstoff“-Konfiguration, bei der zwei Sauerstoffatome benachbarte Stellen im Graphengitter besetzen, jedoch keine Bindung eingehen. Diese neuen Bindungskonfigurationen liefern nicht nur neue Einblicke in die Bausteine des Lebens, sondern könnten auch zur Entwicklung neuer Materialien führen.
Insgesamt bietet die Studie einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Bindungskonfigurationen für Stickstoff und Sauerstoff, der direkt durch Aufnahmen der einzelnen Atome veranschaulicht wird. Während das Lehrbuchkonzept der Bindung von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff zum größten Teil bestätigt wurde, können diese geläufigen Elemente nach Jahrzehnten von Untersuchungen offensichtlich immer noch Überraschungen bereiten.
U. Wien / DE