24.10.2019

Sauerstoff mit drei Armen

Ungewöhnlich stabile Bindung von Sauerstoff an drei Kohlenstoffatome beobachtet.

Das Leben, wie wir es kennen, basiert auf nur einer Handvoll verschiedener Arten von Atomen, darunter Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Jede Atomart kann abhängig von der Anzahl der verfügbaren Elektronen eine charakteristische Anzahl von Bindungen eingehen. Dementsprechend sagen Chemie­lehrbücher, dass Kohlenstoff bis zu vier Bindungen, Stickstoff bis zu drei und Sauerstoff nur eine oder zwei Bindungen haben kann. Nun hat ein Team unter der Leitung von Jani Kotakoski von der Universität Wien und Jannik Meyer von der Universität Tübingen die Bindung einer großen Anzahl von Stickstoff- und Sauerstoff­atomen mit modernster Raster-Transmissions-Elektronen­mikroskopie untersucht. Möglich wurde dies durch die Einbettung der Atome in das Kohlenstoff­material Graphen, das nur ein Atom dick ist.
 

Abb.: Bilder von Sauerstoff- (obere Reihe) und Stick­stoff­atomen (untere...
Abb.: Bilder von Sauerstoff- (obere Reihe) und Stick­stoff­atomen (untere Reihe) in einem Kohlen­stoff­netzwerk (Bild: C. Hofer, J. Meyer)

Die Forscher stellten fest, dass Stickstoff- und Sauerstoff­atome in einer Vielzahl von Konfigurationen an ihre Nachbarn binden. Die Studie bestätigte größtenteils das aus dem Lehrbuch bekannte Bild, das nun mit direkten Aufnahmen der Atome sichtbar gemacht werden konnte: Stickstoff­atome waren an zwei oder drei Kohlenstoff­atome gebunden, während die meisten Sauerstoff­atome zwei Kohlenstoff­nachbarn hatten.

„Was uns jedoch wirklich überraschte, war das zusätzliche Vorhandensein von Strukturen mit Sauerstoff, die an drei Kohlenstoff­nachbarn gebunden sind“, sagt Christoph Hofer, der Hauptautor der Studie. „Die Ausnahme von Sauerstoff mit drei Bindungen war bisher nur in einem ungewöhnlich stark geladenen Zustand bekannt, dem sogenannten Oxonium, das schwer zu stabilisieren ist“, erklärt er. Dies steht im Gegensatz zu der aktuellen Studie, in der die Strukturen bemerkenswert stabil waren, sodass sie im Mikroskop abgebildet werden konnten. Die Studie ergab auch eine „gepaarte Sauerstoff“-Konfiguration, bei der zwei Sauerstoff­atome benachbarte Stellen im Graphen­gitter besetzen, jedoch keine Bindung eingehen. Diese neuen Bindungs­konfigurationen liefern nicht nur neue Einblicke in die Bausteine des Lebens, sondern könnten auch zur Entwicklung neuer Materialien führen.

Insgesamt bietet die Studie einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Bindungs­konfigurationen für Stickstoff und Sauerstoff, der direkt durch Aufnahmen der einzelnen Atome veranschaulicht wird. Während das Lehrbuch­konzept der Bindung von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff zum größten Teil bestätigt wurde, können diese geläufigen Elemente nach Jahrzehnten von Unter­suchungen offensichtlich immer noch Überraschungen bereiten.

U. Wien / DE
 

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