08.12.2017

Schärferer Röntgenblick mit Speziallinsen

Multilayer-Laue-Linsen ermöglichen Röntgenfokus mit weniger als zehn Nanometern Durchmesser.

Mit neu entwickelten Spezial­linsen erreichen Röntgen­mikroskope erstmals eine Rekord­auflösung im unteren Nanometer­bereich. Die Entwickler um Saša Bajt von Center for Free-Electron Laser Science CFEL am Desy in Hamburg haben mit einer neuen Material­kombination das Design von Multi­layer-Laue-Linsen optimiert und so einen winzigen Röntgen­fokus mit weniger als zehn Nanometern Durch­messer erzeugt. Die Forscher haben die Linsen unter anderem mit Aufnahmen von Meeres­plankton getestet.

Abb.: Für abbildende Untersuchungen fokussieren zwei rechtwinklig angeordnete Linsen den Röntgenstrahl auf einen Punkt. Im Strahlengang kann dann ein Untersuchungsobjekt platziert und vom Detektor abgelichtet werden. (Bild: A. Morgan, S. Bajt, DESY)

Moderne Teilchen­beschleuniger können ultrahelle und qualitativ extrem hoch­wertige Röntgen­strahlung erzeugen. Dank der kurzen Wellen­länge und ihrer hohen Eindring­tiefe eignet sich Röntgen­strahlung hervor­ragend, um komplexe Materialien in feinstem Detail mikro­skopisch zu untersuchen. Das Potenzial der Röntgen­mikroskopie lässt sich allerdings erst mit hocheffi­zienten und möglichst perfekten Röntgen­optiken voll ausnutzen. Trotz der Anstren­gungen von Forscher­teams weltweit hat sich dies als schwieriger erwiesen als vermutet, und die Konstruktion eines Röntgen­mikroskops mit einer Auflösung besser als zehn Nanometer ist nach wie vor eine große Heraus­forderung.

Wegen ihrer besonderen Eigen­schaften lassen sich Röntgen­strahlen nicht so einfach fokussieren wie sicht­bares Licht. Stattdessen sind Spezial­optiken wie die Multilayer-Laue-Linsen (MLL) nötig. Sie bestehen aus abwechseln­den, nanometer­dünnen Schichten zweier unter­schiedlicher Materia­lien. Im Gegensatz zu klas­sischen Linsen beugen MLL die Strahlung nicht, sondern streuen sie wie ein Kristall. Die Kunst dabei ist, die Röntgen­linse so aufzubauen, dass sie möglichst viel der einfallenden Röntgen­strahlung auf einen möglichst kleinen Punkt konzentriert. Dazu muss nicht nur die Schichtdicke exakt kontrol­liert werden, die Dicke und vor allem die Ausrichtung der Schichten müssen sich über die Linse auch konti­nuierlich ändern. Die Größe des Röntgen­fokus hängt dabei von der Dicke der dünnsten Schicht ab.

Die Spezial­linsen werden üblicherweise mit Sputter-Verfahren erzeugt, bei dem das Baumaterial zunächst zerstäubt wird und sich dann auf einem Substrat absetzt. So lassen sich Schichten genau kontrol­lierter Dicke erzeugen. Um die erfor­derliche Präzision und die besonderen Linsen­eigen­schaften zu erreichen, hatte Bajts Team eine spezielle Sputter-Technik entwickelt und die Eigen­schaften der Linsen­materialien genau untersucht, die sich oft mit der Linsen­dicke ändern. Mit einer Material­kombination aus Wolfram­karbid und Silizium­karbid erzeugten die Forscher nun Linsen mit mehr als zehntausend abwechselnden Schichten. „Die Wahl des richtigen Material­paars war entscheidend für den Erfolg“, erläutert Bajt. „Das schließt andere Material­kombinationen zwar nicht aus, aber diese ist definitiv die beste, die wir kennen.“

Um einen Röntgen­strahl in hori­zontaler und verti­kaler Richtung zu fokussieren, sind zwei Linsen nötig, die recht­winklig zueinander stehen. Mit dieser Anordnung konnte das Forscherteam einen Röntgen­fokus von nur 8,4 Nanometern mal 6,8 Nano­metern Größe an der Hard-X-ray-Nanoprobe-Mess­station der US-Röntgenstrahlungsquelle National Synchrotron Light Source II (NSLS II) am Brookhaven National Laboratory BNL erzeugen. Die Fokusgröße bestimmt die räumliche Auflösung eines Röntgen­mikroskops, und die neuen Linsen ermöglichen so eine mindes­tens fünfmal bessere Auflösung als heute übliche Linsen. „Wir haben den weltweit kleinsten Röntgen­fokus mit hoch­effizienten Linsen erzeugt“, betont Bajt. Die Effizienz ist ein Maß dafür, wie gut eine Linse auf die Strahlung wirkt. Röntgen­strahlung würde normaler­weise durch die Linsen­materialien nahezu ungehindert hindurch­laufen. Eine Heraus­forderung lautet daher, solche Linsen­strukturen herzustellen, die eine möglichst starke Wechsel­wirkung mit der Röntgen­strahlung erzeugen und möglichst viel der Strahlung in den Brennpunkt diri­gieren. Die neuen Linsen erreichen eine Effi­zienz von mehr als 80 Prozent. Dieser hohe Wert illustriert den Grad an Präzision, den die Wissen­schaftler in der Produktion der nötigen Nano­strukturen erreicht haben.

Abb.: Röntgenhologramm einer Schale der Kieselalge Actinoptychus senarius mit einem Durchmesser von nur 0,1 Millimetern. Die 5000fache Vergrößerung zeigt feinste Details der Struktur. Die Röntgenlinse hat dazu den Röntgenstrahl auf einen Brennpunkt mit nur etwa acht Nanometern Durchmesser fokussiert. (Bild: A. Morgan, S. Bajt, H. Chapman, C. Hamm, DESY / AWI)

Diese Präzision ermöglicht nun Projektions­bilder über einen weiten Bereich von Vergrößerungs­faktoren, wie Tests der neuen Linsen belegen. An der Mess­station P11 der hoch­brillanter Röntgen­quelle PETRA III am Desy zeichneten die Forscher dabei hochauf­lösende Röntgen­hologramme winziger Strahlen­tierchen (Radiolarien) und Kiesel­algen (Diatomeen) aus dem Meeres­plankton auf. Die unter­suchten Strahlen­tierchen sind Einzeller aus der Klasse der Acan­tharia und die einzigen bekannten Orga­nismen, die ihr Skelett aus dem Mineral Strontium­sulfat aufbauen. Die ebenfalls von Bajts Team unter­suchten Kiesel­algen haben kompliziert struk­turierte Schalen, die extrem stabil und leicht zugleich sind. Sie bestehen aus nanostruk­turierter Kieselsäure, die bisher in zweidimen­sionalen Analysen mit Elektronen­mikroskopen untersucht wurde. Höchstwahr­scheinlich wegen dieser Struk­turierung ist die Festigkeit der Kiesel­säure außerge­wöhnlich hoch – zehnmal höher als die von Baustahl – obwohl sie bei niedrigen Temperatur- und Druckbe­dingungen hergestellt wird.

„Wir hoffen, dass die neuartigen Röntgen­optiken uns bald ermög­lichen werden, diese Nano­strukturen in 3D zu untersuchen“, sagt Meeres­forscher Christian Hamm vom Alfred-Wegener-Institut in Bremer­haven, der die Plankton­proben zur Verfügung gestellt hat. „Das kann uns helfen, die enorme mechanische Belast­barkeit dieser Schalen zu modellieren und zu verstehen und mit diesem Wissen neue, umwelt­freundliche und leistungs­fähige Materialien zu entwickeln.“ Die neuen Linsen eignen sich für eine Vielzahl von Anwen­dungen, von der Bildgebung mit Nano­meter-Auflösung bis zur Röntgen­spektro­skopie. „Diese MLL eröffnen viele neue Möglich­keiten in der Forschung mit Röntgen­strahlung. Sie lassen sich für verschie­dene Energien und auch für kohä­rente Quellen wie Freie-Elektronen-Röntgen­laser herstellen“, erläutert Bajt. „Da wir jetzt wissen, wie wir das Linsen­design optimieren können, ebnet unsere Arbeit den Weg, um letzt­endlich das Ziel einer Auflösung von einem Nanometer in der Röntgen­mikroskopie zu erreichen.“

DESY / JOL

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