11.06.2019

Scharfer Blick auf elektrische Potenziale

Neuartige Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie charakterisiert Atome und Moleküle.

Ein Forscherteam aus Jülich hat in Kooperation mit der Universität Magdeburg eine neue Methode entwickelt, mit der sich die elek­trischen Potenziale einer Probe atomgenau vermessen lassen. Mit etablierten Verfahren war es bisher kaum möglich, die elek­trischen Potenziale, die sich in der unmittelbaren Nähe einzelner Moleküle oder Atome ausbilden, quantitativ zu erfassen. Das neue Verfahren der Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie könnte neue Möglichkeiten eröffnen für die Chipfertigung oder für die Charak­terisierung von Biomolekülen wie der DNA.

Abb.: Aufnahme eines Raster­tunnel-Mikroskops (li.) und eines...
Abb.: Aufnahme eines Raster­tunnel-Mikroskops (li.) und eines Raster-Quanten­punkt-Mikroskops (re.): Mit Raster­tunnel-Mikro­skope lässt sich die physische Struktur einer Ober­fläche atomgenau vermessen. Die Quanten­punkt-Mikroskopie kann bei ähnlicher Detail­tiefe die elek­trischen Potenziale auf der Ober­fläche abbilden. (Bild: C. Wagner, FZJ)

Die positiven Atomkerne und negativen Elektronen, aus denen alle Materie besteht, erzeugen elektrische Potenzialfelder, die sich schon auf sehr kurzen Distanzen überlagern und ausgleichen. Mit herkömm­lichen Verfahren war es bisher kaum möglich, diese kleinräumigen Felder zu vermessen, die für viele stoffliche Eigen­schaften und Funk­tionalitäten auf der Nanoskala verantwortlich sind. Praktisch alle etablierten Verfahren, die solche Potenziale abbilden, beruhen auf einer Messung der Kräfte, die durch elektrische Ladungen hervor­gerufenen werden. Doch diese Kräfte lassen sich nur schwer von anderen Kräften unterscheiden, die auf der Nanoskala auftreten, was einer quanti­tativen Messung im Wege steht. 

Vor vier Jahren entdeckten Wissen­schaftler des Forschungszentrums Jülich jedoch eine Methode, die auf einem völlig anderen Prinzip basiert. Bei der Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie wird ein einzelnes organisches Molekül, der Quantenpunkt, auf die Spitze eines Rasterkraft­mikroskops geheftet und dient dann als Sonde. „Das Molekül ist so klein, dass man kontrolliert einzelne Elektronen aus der Spitze des Rasterkraft­mikroskops auf das Molekül aufbringen kann“, erklärt Christian Wagner, Leiter der Gruppe „Controlled Mechanical Manipulation of Molecules“ am Jülicher Peter Grünberg Institut.

Die Forscher hatten das Potenzial der Methode sofort erfasst und einen Patentantrag gestellt. Doch bis zur praktischen Anwendung war es noch ein weiter Weg. „Anfangs war es nur ein über­raschender Effekt, aber in seiner Anwend­barkeit begrenzt. Das ist jetzt anders. Wir können die elektrischen Felder einzelner Atome und Moleküle nicht nur sichtbar machen. Wir können diese jetzt auch präzise quantifizieren“, erläutert Wagner. „Das hat auch der Vergleich mit theo­retischen Rechnungen unserer Kollegen aus Luxemburg belegt. Darüber hinaus können wir große Bereiche einer Probe und somit verschiedenste Nano­strukturen auf einen Schlag abbilden. Für ein detailliertes Bild benötigen wir gerade einmal eine Stunde.“

Jahrelang haben die Jülicher Forscher die Methode untersucht und am Ende eine in sich geschlossene Theorie dazu entwickelt. Der Grund für die sehr scharfen Bilder ist ein Effekt, der es ermöglicht, dass die Mikroskop­spitze für die Messung relativ weit von der Probe entfernt sein kann, etwa zwei bis drei Nanometer – unvorstellbar für ein normales Rasterkraft­mikroskop. Dazu muss man wissen: Alle Elemente einer Probe erzeugen elektrische Felder, die auf den Quantenpunkt einwirken und damit auch gemessen werden. Die Mikroskop­spitze wirkt dabei wie ein Schutzschirm, der die störenden elektrischen Felder der weit entfernten Proben­bereiche dämpft. „Der Einfluss der abgeschirmten elektrischen Felder fällt so exponentiell ab und der Quantenpunkt detektiert nur den unmittelbar umliegenden Bereich“, erklärt Wagner. „Unsere Auflösung ist dadurch viel schärfer als es selbst bei einer idealen Punktsonde zu erwarten wäre.“

Dass die Vermessung der kompletten Proben­oberfläche so schnell vonstattengeht, verdanken die Jülicher Forscher ihren Partnern von der Otto-von-Guericke-Univer­sität Magdeburg. Die Ingenieure entwickelten den Controller, der dazu beiträgt, die komplexe, mehrfache Abtastung der Probe zu auto­matisieren. „Ein Rasterkraft­mikroskop funktioniert ein bisschen wie ein Plattenspieler“, erklärt Wagner. „Die Spitze fährt über die Probe und erstellt so Stück für Stück eine zusammen­hängende Darstellung der Oberfläche. Bei der Raster-Quantenpunkt-Mikroskopie mussten wir bisher jedoch an eine Stelle der Probe fahren, ein Spektrum messen, zur nächsten Stelle fahren, ein Spektrum messen und so weiter, um daraus ein Bild zusammenzusetzen. Mit dem Controller der Magdeburger können wir jetzt die ganze Fläche einfach scannen, wie mit einem normalen Rasterkraft­mikroskop. Während wir bisher fünf bis sechs Stunden für ein einzelnes Molekül benötigt haben, können wir jetzt Probenbereiche mit Hunderten Molekülen in einer Stunde abbilden.“

Einige Nachteile hat die Quantenpunkt-Methode allerdings noch. Die Vorbereitung der Messungen ist sehr aufwändig. Das Molekül, das als Quantenpunkt für die Messung dient, muss vor der Messung von der Spitze aufgehoben werden – etwas, was nur im Vakuum und bei tiefen Tempera­turen möglich ist. Normale Rasterkraft­mikroskope dagegen arbeiten auch bei Raumtemperatur, ohne Vakuum, und es sind keine anspruchs­vollen Vorbereitungen nötig. Einsatzmöglichkeiten für die Quanten­punkt-Mikroskopie gibt es viele. Die Halbleiterelektronik stößt in Größenbereiche vor, bei denen schon ein einzelnes Atom für die Funktionalität entscheidend sein kann. Und auch für andere Funktions­materialien, etwa Katalysatoren, spielen elektro­statische Wechsel­wirkungen eine wichtige Rolle. Die Charak­terisierung von Biomolekülen wäre eine andere Option. Aufgrund des vergleichs­weise großen Abstands zur Probe eignet sich das Verfahren auch für raue Oberflächen, wie sie etwa das DNA-Molekül mit seiner charak­teristischen 3D-Struktur aufweist.

FZJ / JOL

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