12.10.2015

Scharfer Blick ins frühe All

Europäisches Konsortium trifft Einigung zum Bau der MICADO-Kamera für das European Extremely Large Telescope.

Für die MICADO-Kamera, mit dem das European Extremely Large Telescope (E-ELT) seine ersten Bilder machen wird, beginnt eine neue Phase: In einer gemeinsamen Absichts­erklärung (Memorandum of Understanding) auf der „Kick-off“-Konferenz in Wien bestätigten die Partner in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich und Italien ihre Teilnahme am Projekt. Zwei Wochen zuvor, am 18. September, hatten das Konsortium und die Europäische Südsternwarte (ESO), die das Teleskop baut, den entsprechenden Kooperations­vertrag unterzeichnet. Damit tritt das Projekt nun in die Designphase ein. Als erste, dedizierte Kamera für das E-ELT wird MICADO beugungs­begrenzte Abbildungen bei Nah-Infrarot-Wellenlängen (Wärmestrahlung) mit dem Riesenteleskop erlauben.

Abb.: MICADO wird die erste bildgebende Kamera am E-ELT sein. (Bild: ESO /...
Abb.: MICADO wird die erste bildgebende Kamera am E-ELT sein. (Bild: ESO / MICADO consortium)

MICADO, die „Multi-AO Imaging Camera for Deep Observations“, wurde für das European Extremely Large Telescope (E-ELT), ein Teleskop mit 39 Metern Spiegel­durchmesser, konzipiert. Dieses revolutionäre Teleskop wird das größte optische bzw. Nah-Infrarot-Teleskop der Welt sein und etwa 15 Mal mehr Licht sammeln als die heute existierenden größten optischen Teleskope. Die MICADO-Kamera wird beugungsbegrenzte Abbildungen bei Nah-Infrarot-Wellenlängen ermöglichen und eine neue Ära astronomischer Präzisions­messungen einläuten. Um die Verzerrungen durch die turbulente Atmosphäre der Erde zu korrigieren, wird MICADO für die Nutzung von adaptiver Optik (AO) optimiert: einem einfachen AO-Modus (SCAO), um einzelne Zielobjekte korrigieren zu können, und einem leistungs­fähigeren Modus, um auch bei Beobachtungen über ein großes Sichtfeld scharfe Bilder zu erhalten. Dies wird durch das Instrument MAORY möglich werden.

Das Leistungsvermögen von MICADO wird genau auf die einzigartigen Eigenschaften des neuen Teleskops abgestimmt, um Entdeckungen und Untersuchungen neuer oder unbekannter astro­physikalischer Phänomene zu erlauben. Die hohe Empfindlichkeit wird es ermöglichen, schwächste Sterne und die am weitesten entfernten Galaxien nachzuweisen. Seine beispiellose räumliche Auflösung wird Strukturen und Details in Nebeln und Galaxien aufzeigen, die weit über das hinausgehen, was derzeit möglich ist. So lässt sich zum Beispiel durch die Auflösung einzelner Sterne in entfernten Galaxien deren Stern­entstehungs­geschichte und -entwicklung untersuchen. Und mit der hervorragenden astrometrischen Präzision von MICADO werden viele astronomische Objekte nicht mehr wie bisher statisch erscheinen, sondern ihre wahre Dynamik preisgeben.

Die Messungen der winzigen Bewegungen von Sternen in Sternhaufen werden schwarze Löcher verraten, die sich in diesen Haufen verbergen; verfolgt man die Bewegungen der Sternhaufen, so erhält man neue Erkenntnisse darüber, wie sich unsere Milchstraße gebildet hat. Darüber hinaus wird MICADO auch einen speziellen Beobachtungsmodus enthalten, mit dem man extrasolare Planeten direkt nachweisen und untersuch kann, sowie einen anderen Modus, um Spektren von kompakten Objekten aufzuzeichnen.

„Wir sehen einer wirklich aufregenden Zukunft entgegen: Die großartigen Messungen, die wir mit unserer Kamera an diesem Riesenteleskop machen können, werden uns spannende neue Erkenntnisse liefern", sagt Ric Davies, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extra­terrestrische Physik (MPE) und MICADO-Projektleiter. „Aber das Projekt stellt auch extreme Herausforderungen an alle Beteiligten, und ich bin froh, ein solch kompetentes und enthusiastisches Team zu haben."

Das MICADO-Instrument wird von einem Konsortium aus europäischen Instituten in Zusammenarbeit mit der ESO entwickelt und gebaut. Alle Partner können auf eine lange Tradition zurückblicken, in der sie gemeinsam optische und Infrarot-Instrumentierung der Weltklasse entworfen und gebaut haben. Das Projekt wird voraussichtlich fast zehn Jahre dauern, vom Beginn der aktuellen Design­phase bis zur endgültigen Inbetriebnahme; die erste Beobachtung für E-ELT und MICADO ist für 2024 geplant.

Als federführendes Institut ist das MPE für das gesamte Projekt­management und die System­entwicklung verantwortlich und repräsentiert das Konsortium gegenüber der ESO. Darüber hinaus übernimmt das Team am MPE die Führung bei der Entwicklung und dem Bau des MICADO-Kryostaten und der „kalten“ Optik.

Die wichtigsten Beiträge des Max-Planck-Instituts für Astronomie zu MICADO sind der hochpräzise Instrumenten-Derotator, sowie die Kalibrations­einheiten. Der Derotator kompensiert die durch die Erdrotation bedingte Drehung des Gesichtsfeldes während der Beobachtungen. Die Kalibrationseinheiten werden die Detektoreichung der abbildenden Kamera und des Spektrographen erlauben. Eine besondere Herausforderung ist auch die Langzeit­kalibration der beim großen MICADO-Gesichtsfeld unvermeidlichen astrometrischen Abbildungs­fehler. „Die Kombination aus nie zuvor erreichter Bildschärfe und der Licht­sammel­leistung des 39-Meter-E-ELT wird es uns erlauben, erstmals den Übergangs­bereich zwischen den massearmen stellaren schwarzen Löchern und ihren supermassereichen Pendants in den Zentren von Galaxien zu verstehen“, sagt Jörg-Uwe Pott vom MPIA, Instrument-Scientist für das gesamte MICADO-Projekt, und fügt hinzu: „Wir werden wichtige Erkenntnisse über die innersten Prozesse der aktiven Galaxienkerne und der Stern- und Galaxienentstehung im frühen Universum gewinnen.“

Die ESO unterstützt die Entwicklung der MICADO-Kamera als assoziiertes Mitglied des Konsortiums und ist verantwortlich für zwei wichtige Bereiche: die Entwickung und Beschaffung der wissenschaftlichen Detektor­systeme und das Design des Kamerasystems für die adaptive Optik (Wellenfrontsensor und Kameras für die Leitsterne) mit dem dazugehörigen Computersystem, das in Echtzeit arbeiten muss. Beide Aufgaben werden von der ESO für alle E-ELT-Instrumente übernommen. Daneben ist die ESO auch für die Schnittstelle zwischen der MICADO-Kamera und dem adaptiven Optik-Instument MAORY verantwortlich.

MPIA / DE

 

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