Schlummernde Reserve in Lithium-Ionen-Akkus
Ursache für bisher ungeklärte Kapazitätsverluste gefunden.
Lithium-Eisenphosphat zählt zu den wichtigsten Materialien für Batterien von E-Autos, stationären Stromspeichern oder Werkzeugen. Es ist langlebig, vergleichsweise günstig und neigt nicht zur Selbstentzündung. Auch die Energiedichte macht Fortschritte. Die Fachwelt rätselt allerdings nach wie vor, warum Lithium-Eisenphosphat-Akkus ihre theoretische Stromspeicherkapazität in der Praxis um bis zu 25 Prozent unterbieten. Um diese schlummernde Kapazitätsreserve zu nutzen, wäre die genaue Kenntnis darüber entscheidend, wo und wie sich Lithium-Ionen während der Lade- und Entladezyklen im Batteriematerial einlagern und wieder herauslösen. Forschenden der TU Graz ist nun ein wesentlicher Schritt dazu gelungen.
Bei Untersuchungen mit Transmissionselektronenmikroskopen konnten sie die Lithium-Ionen auf ihrem Weg durch das Batteriematerial systematisch verfolgen, ihre Anordnung im Kristallgitter einer Eisenphosphat-Kathode mit noch nie dagewesener Auflösung abbilden und ihre Verteilung im Kristall genau quantifizieren. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch bei vollständigem Laden der Testbatteriezellen Lithium-Ionen im Kristallgitter der Kathode zurückbleiben, anstatt zur Anode zu wandern. Diese immobilen Ionen kosten Kapazität“, sagt Daniel Knez vom Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik. Die immobilen Lithium-Ionen sind ungleichmäßig in der Kathode verteilt.
Den Forschenden ist es gelungen, diese unterschiedlich stark mit Lithium angereicherten Bereiche genau zu bestimmen und bis auf wenige Nanometer voneinander abzugrenzen. In den Übergangsbereichen fanden sich Verzerrungen und Verformungen im Kristallgitter der Kathode. „Diese Details liefern wichtige Hinweise auf physikalische Effekte, die der Batterieeffizienz bislang entgegenwirken und die wir bei der Weiterentwicklung der Materialien berücksichtigen können“, sagt Ilie Hanzu vom Institut für Chemie und Technologie von Materialien, der an der Untersuchung eng beteiligt war.
Für ihre Untersuchungen haben die Forschenden Materialproben aus den Elektroden ge- und entladener Akkus herauspräpariert und unter anderem am atomar auflösenden ASTEM-Mikroskop der TU Graz untersucht. Dabei kombinierten sie Elektronenenergieverlustspektroskopie mit Messungen zur Elektronenbeugung und Bildgebung auf atomarer Ebene. „Durch die Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden konnten wir bestimmen, wo das Lithium in den Kristallkanälen positioniert ist und auf welchen Wegen es dort hingelangt“, erläutert Nikola Šimić vom Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik. „Die von uns entwickelten Methoden und die gewonnen Erkenntnisse zur Ionendiffusion lassen sich mit nur geringen Anpassungen auch auf andere Batteriematerialien übertragen, um sie noch präziser zu charakterisieren und weiterzuentwickeln.“
TU Graz / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichungen
N. Šimić et al.: Phase Transitions and Ion Transport in Lithium Iron Phosphate by Atomic-Scale Analysis to Elucidate Insertion and Extraction Processes in Li-Ion Batteries, Adv. En. Mat., online 10. Juni 2024; DOI: 10.1002/aenm.202304381 - Institut für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik, TU Graz