Schmelze unter Kontrolle
Neues Modell beschreibt Zusammenhang von Fließverhalten und interatomaren Potenzialen bei metallischen Gläsern.
Durch Mischen von Elementen entstehen bei hohen Temperaturen metallische Flüssigkeiten, die durch schnelles Abkühlen auf Raumtemperatur als metallische Gläser erstarren. Dieses Verfahren erzeugt Materialien mit herausragenden mechanischen Eigenschaften, die bereits kommerziell in der Uhrenindustrie und in Mobiltelefonen eingesetzt werden. Eine Forschergruppe der Universität Göttingen und der Technischen Universität München hat nun erstmals ein Modell entwickelt, das den Zusammenhang zwischen dem makroskopisch-mechanischen Fließprozess und interatomaren Potenzialen analytisch beschreibt.
Abb.: Viskosität als Funktion der Temperatur für verschiedene metallische Systeme: Die Symbole repräsentieren die experimentellen Daten, die kontinuierliche Linie stellt die theoretischen Anpassungen dar. (Bild: K. Samwer)
Ein wichtiger Kontrollparameter für den Prozess der Glasbildung ist die Viskosität dieser metallischen Flüssigkeiten. Bei einer Temperatur von etwa 300 Grad Celsius wird die Flüssigkeit zu Glas, die Viskosität in der Schmelze steigt um ein Vielfaches an. „Durch Berücksichtigung einer speziellen Bewegung innerhalb der ungeordneten Flüssigkeit konnten wir zeigen, dass die interatomaren Potenziale der Legierung, die sensibel auf die chemische Zusammensetzung reagieren, verantwortlich für die Elastizität, die Viskosität und die Fragilität der Flüssigkeit nahe der Glastemperatur sind“, so Konrad Samwer vom I. Physikalischen Institut der Universität Göttingen. Das neue analytische Modell sagt vorher, dass mit steigender Temperatur die Viskosität doppelt-exponentiell ansteigt.
Darüber hinaus konnten die Göttinger in Zusammenarbeit mit Forschern der Arizona State University in Tempe zeigen, dass sich die Fragilität dieser Flüssigkeiten während des viskosen Fließprozesses durch eine mechanische Dehnung enorm ändern lässt und dass die Glastemperatur selbst vom mittleren Abstand der Atome bestimmt ist. Diese Ergebnisse decken sich mit der nun vorhandenen mathematischen Gleichung. „Die zukünftige Anwendung der mathematischen Gleichungen wird es möglich machen, gezielt makroskopische mechanische Eigenschaften dieser komplexen Materialien zu kontrollieren und eine noch breitere Verwendung in der Industrie zu ermöglichen“, sagt Samwer. Dazu gibt es in den USA und China bereits eine große Zahl von Startups, die unter anderem auch mit namhaften Smartphone-Herstellern zusammenarbeiten.
U. Göttingen / DE