01.10.2021

Schmelzen ohne Zersetzung

Neues Verfahren ermöglicht das Schmelzen metallorganischer Gerüstverbindungen.

Gläser sind aus dem täglichen Leben nicht wegzudenken. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass Glasgegenstände über den Weg der Schmelze nahezu universell und kostengünstig in den viel­fältigsten Formen und Größen hergestellt werden können. Die Verarbeitung in der (zäh-)flüssigen Phase bietet eine Vielfalt, die mit anderen Werkstoffen kaum erreichbar ist. Dies setzt aber voraus, dass das Material, aus dem das Glas in seiner chemischen Zusammen­setzung besteht, überhaupt schmelzbar ist.

 

Abb.: Vahid Nozari von der Universität Jena untersucht am Mikroskop das...
Abb.: Vahid Nozari von der Universität Jena untersucht am Mikroskop das synthetische Glas, das aus einem MOF-Material besteht. (Bild: J. Meyer / U. Jena)

Besonders großes Interesse haben in den vergangenen Jahren metallorganische Gerüst­verbindungen erlangt (MOFs – Metal Organic Frameworks). Aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften wird ihnen ein großes Potenzial für zukünftige Anwendungen in der Energie- und Umwelt­technik zugeschrieben, aber auch in der Sensorik sowie in den Bio- und Lebens­wissenschaften. So eignen sie sich etwa als Ausgangsmaterial für Filter­membranen zur Trennung von Gasen in technischen Verbrennungs­prozessen oder für die Wasser­aufbereitung.

Grundlage für die Fülle möglicher Anwendungen ist dabei vor allem eine herausragende Eigenschaft der MOFs: ihre hohe und weitestgehend kontrollierbare Porosität. Denn die Vertreter dieser Stoffklasse bestehen aus anorganischen Teilchen, die durch organische Moleküle zu einem Netzwerk aus Poren verbunden sind. Eine der Herausforderungen ist es, tatsächlich Bauteile aus den überwiegend in Pulverform vorliegenden MOFs herzustellen. Hier kommt der Weg über das Glas ins Spiel. Denn abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen verhindert ausgerechnet die Porosität, dass die Materialien geschmolzen und so zu Bauteilen der gewünschten Form verarbeitet werden können. Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben nun gemeinsam mit britischen Kollegen eine Lösung für dieses Problem gefunden.

Um aus MOFs Bauteile für industrielle Anwendungen zu erzeugen, können sie beispielsweise zu Hybrid­gläsern verarbeitet werden. Dazu muss man sie allerdings einschmelzen – ein Vorgang, der in diesem Fall nicht unkompliziert ist. Denn bisher lässt sich nur eine Handvoll Vertreter dieser Stoffklasse auch tatsächlich einschmelzen. „Bei den meisten bekannten MOF-Materialien ist gerade die hohe Porosität einer der Gründe, dass sie – bevor sie beim Erwärmen den Schmelzpunkt erreichen und sich verflüssigen – thermisch zersetzt werden, das heißt, sie verbrennen“, erklärt Vahid Nozari, Doktorand am Lehrstuhl für Glaschemie der Universität Jena. Ausgerechnet die Eigenschaft, die diese Materialien so interessant macht, verhindert also eine mögliche Verarbeitung über den Glasweg.

Wie also macht man ein nicht schmelzbares Material schmelzbar, um es dann im flüssigen Zustand formen und verarbeiten zu können? Auf diese Frage hat das Team um den Jenaer Professor Lothar Wondraczek nun eine Antwort gefunden. „Wir haben die Poren mit einer ionischen Flüssigkeit gefüllt, die die innere Oberfläche so stabilisiert, dass sich der Stoff schließlich schmelzen lässt, noch bevor es zu einer Zersetzung kommt“, erklärt Wondraczek die Forschungs­arbeiten.

Die Jenaer Forscher konnten so zeigen, wie normalerweise nicht schmelzbare Stoffe aus der MOF-Familie der zeolithischen Imidazolat­gerüste (ZIFs) tatsächlich in den flüssigen Zustand überführt und schließlich in ein Glas umgewandelt werden können. „Über diesen Weg ließe sich zukünftig das gewünschte Bauteil, etwa eine Membran oder Scheibe, formen. Reste der hilfsweise verwendeten ionischen Flüssigkeit können im Anschluss wieder ausgewaschen werden.“

Der Schlüssel für zukünftige Anwendungen sind die Reaktionen, die zwischen der ionischen Flüssigkeit und dem MOF-Material stattfinden. Diese bestimmen die Umkehrbarkeit des Prozesses, also die Möglichkeit, die Flüssigkeit nach dem Schmelz­vorgang wieder auszuwaschen. Sind die Reaktionen nicht angepasst, so findet entweder keine ausreichende Stabilisierung der Poren­oberfläche statt, oder es kommt zu einer unumkehrbaren chemischen Verbindung zwischen MOF und Flüssigkeit. Hierfür müssen also mit Blick auf die gewünschte Anwendung ideale Kombinationen von Flüssigkeiten, Matrix­materialien und Schmelz­bedingungen identifiziert werden, so dass auch großvolumige Objekte möglich werden.

FSU / DE

 

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