14.07.2006

Schmierung in der Nanowelt

Mit zwei neuen Methoden lässt sich die Reibung auf der atomaren Ebene kontrollieren.



Mit zwei neuen Methoden lässt sich die Reibung auf der atomaren Ebene kontrollieren.

Berkeley (USA)/Basel (Schweiz) - Vom rollenden Autoreifen bis zum feinen Uhrwerk bestimmen Reibung, Hafteffekte und Abrieb mechanische Bewegungen. Allein in den USA werden die Folgekosten aufgrund von Verschleiß und Schmiermitteln auf mehrere hundert Milliarden Dollar geschätzt. In nanostrukturierten Modulen spielen diese Effekte an den Kontaktflächen eine noch einflussreichere Rolle. Zwei Forschergruppen aus den USA und der Schweiz fanden nun elegante Methoden, um die Reibung auf atomarer Ebene genauer zu kontrollieren und auch zu verringern. Über ihre Ergebnisse schreiben sie in der Zeitschrift „Science“.

„Wir haben einen effizienten Weg gefunden, um die Reibungseffekte auf atomarer Ebene an und aus zu schalten“; berichten Ernst Meyer und seine Kollegen von der Universität Basel. Bewegen sich die Reibungskräfte zwischen der Spitze eines Reibungs-Kraft-Mikroskops (FFM) und einer glatten Oberfläche aus Kochsalz normalerweise im Nanonewton-Bereich, konnten sie diese auf Werte unterhalb von zehn Piconewton reduzieren. Dazu ließen sie die scharfe Silizium-Spitze des Mikroskops während des Hinweggleitens über kristalline Oberflächen aus Natriumchlorid oder Kaliumbromid gezielt vibrieren.

Bewegt sich diese Mikroskopspitze ohne Höhenveränderungen über die Kristallfläche, haftet sie entsprechend dem periodischen Aufbau der Oberfläche mal stärker und mal schwächer. Es kommt zu elastischen Verformungen, die abwechselnd zu mehr oder weniger großen Reibungswiderständen führen. Nun ließen Meyer und Kollegen die Siliziumspitze mit Frequenzen zwischen 0 und 300 Kilohertz vibrieren. Bei einer konstanten Tastgeschwindigkeit verringerte sich bei Kaliumbromid der Reibungswiderstand bei 20,4 und 40,9 Kilohertz entsprechend dem periodischen Aufbau der Oberfläche fast um einen Faktor Hundert. Dieser Effekt könnte für den Bau von nanoelektromechanischen Modulen genutzt werden, um den Verschleiß der Kontaktflächen signifikant zu reduzieren und damit die Lebensdauer zu erhöhen.

Die gleiche Motivation trieb amerikanische Physiker von der University of California in Berkeley an. Sie entwickelten keine mechanische, sondern eine elektronische Kontrolle der Reibungskräfte auf der Nanoebene. Mit einer Tastgeschwindigkeit von fünf Mikrometern pro Sekunde führten sie die Titannitrid-Spitze eines Atomkraftmikroskops über eine Siliziumfläche, die abwechselnd n- und p-dotierte Zonen aufwies. Unter eine positive Spannung von vier Volt gesetzt, flossen in den p-Regionen Ströme von etwa 50 Mikroampere, in n-Bereichen aber lediglich 5 Mikroampere. Die unterschiedlichen Konzentrationen an Ladungsträgern führten zu messbar unterschiedlichen Kontaktkräften. Doch den genauen Mechanismus dieser elektronischen Reibungskontrolle konnten die Forscher noch nicht entschlüsseln. Theoretische Abschätzungen der elektrischen Abstoßungskräfte führten zu einem deutlich geringeren Einfluss als schließlich gemessen werden konnte.

Beide Ansätze könnten den Betrieb von mikro- und nanoelektromechanischen Modulen wartungsfreier gestalten. Heute verhindert noch hoher Verschleiß die wirtschaftliche Anwendung von nanostrukturierten Maschinen. Klassische Schmiermittel sind auf dieser Ebene nicht mehr anwendbar. Die neuen Erkenntnisse legen daher eine wichtige Basis für den aufkommenden Forschungsbereich der Nanotribologie.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Y. Z. Hu, S. Granick, Trib. Lett. 5, 81 (1998).
  • Urbakh, J. Klafter, D. Gourdon, J. Israelachvili, Nature 430, 525 (2004).
  • Socoliuc, R. Bennewitz, E. Gnecco, E. Meyer, Phys. Rev. Lett. 92, 134301 (2004).
  • Nadai, Theory of Flow and Fracture of Solids (McGraw Hill, New York, 1950), chap. 7.
  • E. Gnecco, R. Bennewitz, T. Gyalog, E. Meyer, J. Phys. Condens. Matt. 13, R619 (2001).

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