Schneekugeln und andere hydrodynamische Besonderheiten
Numerische Simulationen lösen das Stokessche Paradoxon.
Schneekugeln: Schüttelt man sie, kommen alle Teilchen in Bewegung und es schneit Flöckchen. Was Kinderaugen zum Leuchten bringt, blieb jedoch lange für Wissenschaftler ein unlösbares Rätsel, denn für manche Teilchen, wie beispielsweise zylinderförmige, gab es keine befriedigende mathematische Lösung. Irrelevant ist das Problem jedoch nicht, denn diese Art hydrodynamischer Probleme findet man auch in der Klimaforschung. Jetzt haben Forscher des MPI für marine Mikrobiologie in Bremen mehr Licht in das als Stokessches Paradoxon bekannte Problem gebracht und es numerisch mit ausreichender Genauigkeit gelöst.
Abb.: Eine Schneekugel. Die Bewegungen der kleinen Flocken in diesem Spielzeug sind nur schwer mit mathematischen Gleichungen zu erfassen, insbesondere derjenigen, die zylinderförmig sind. (Bild: M. Schlösser, MPIMB)
Physiker, Klimaforscher und Ingenieure interessiert die Frage, wie sich Teilchen in einer Wassersäule bewegen. Die Partikel können kugelförmig oder zylindrisch sein. Für eine umströmte Kugel hat der britische Mathematiker und Physiker Sir George Gabriel Stokes schon im 19. Jahrhundert die Lösungen gefunden. Überraschenderweise hatte er keinen Erfolg bei der Lösung der Umströmung eines zylindrischen Festkörpers. Und das, obwohl sich dieser mathematisch leichter als kugelförmige Objekte beschreiben lässt. Schließlich gab Stokes auf und erklärte das Problem für unlösbar. Generationen von Forschern nach ihm haben sich an der Lösung versucht, bislang erreichten sie aber nur Näherungen, die stark voneinander abwichen. Eine Lösung des Stokesschen Paradoxons schien nicht in Sicht.
Abb.: Eine Grünalge hat eine zylindrische Geometrie. Mit der Photosynthese fixiert sie Kohlenstoff. Wie sie während ihrer Abwärtsbewegung mit ihrer Umwelt interagiert, konnten Mathematiker bislang nicht korrekt beschreiben. (Bild: Wolnik, MPIMB)
Jetzt präsentieren Arzhang Khalili und Bo Liu vom MPI für marine Mikrobiologie eine Lösung des Problems. Ausgangspunkt ihrer Forschung ist die Sedimentation von abgestorbenen Mikroorganismen zum Meeresgrund. Wie schnell das geschieht, interessiert auch Klimaforscher, denn die Kleinstlebewesen enthalten gebundenen Kohlenstoff, den mikroskopische Algen zuvor mit Hilfe der Photosynthese hergestellt haben. Das Kohlendioxid dafür stammt aus der Atmosphäre.
„Mit unserem neuen Ansatz lassen sich die Kohlenstoffbilanzen besser berechnen“, sagt Khalili, auch. „Als wir die bereits existierenden Näherungslösungen für den Widerstandsbeiwert umströmter Zylinder mit unterschiedlichen experimentellen Daten aus der Literatur verglichen haben, konnten wir keine zufriedenstellende Übereinstimmung feststellen. Erst unsere aufwändigen numerischen Computersimulationen führten zum Erfolg.“
Und bei den Schneekugeln? An ihnen kann man sich auch ohne Mathematik erfreuen.
MPIMB / RK