08.01.2013

Schwächelndes Proton

Anteil des Protons an der schwachen Wechselwirkung mit großer Genauigkeit bestimmt.

Ein internationales Forscherteam aus den USA, Russland, Belgien und der Schweiz hat genau untersucht, wie das Proton an der schwachen Wechselwirkung teilhat. Konkret hat man die „pseudoskalare Kopplung“ bestimmt, eine der Kopplungskonstanten, die festlegen, wie stark die schwache Wechselwirkung für das Proton ist. Das Proton ist einer der fundamentalen Bausteine der Materie, die uns umgibt. Selbst besteht es aber aus weiteren Unterteilchen, den Quarks und Gluonen. Daraus ergibt sich ein komplexes Verhalten des Protons, das mit derzeitigen Computern nicht exakt zu berechnen ist. Es gibt aber angenäherte – effektive – Rechenverfahren, deren Berechnungen sehr gut mit den Ergebnissen des Experiments übereinstimmen.

Abb.: Forscher Malte Hildebrandt arbeitet am Detektor, mit dem der Myonenenfang am Proton gemessen wird. (Bild: PSI/M. Fischer)

In ihrem Experiment haben die Forschenden untersucht, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Proton ein Myon einfängt – eine Reaktion, für die die schwache Wechselwirkung verantwortlich ist. Das Myon ist dem Elektron sehr ähnlich, aber etwa 200-mal schwerer und instabil – es zerfällt in rund 2 x 10^-6 Sekunden in andere Teilchen. Genau so wie das Elektron in einem normalen Wasserstoffatom kann auch das Myon an das Proton gebunden werden. Da es aber deutlich schwerer ist, ist es viel näher am Proton, und so kann es leichter zu einer Einfangreaktion kommen. Das Proton wandelt sich dabei in ein Neutron um und das Myon in ein Neutrino.

„Das Herzstück des Experimentes war eine „Zeitprojektionskammer“, die in einem Behälter mit extrem reinem Wasserstoffgas eingebettet war. Mit dieser Kammer konnte die Spur jedes Myons dreidimensional bis zum Stopp aufgezeichnet werden – eine notwendige Grundbedingung für die hohe Präzision des Experiments. Die Kammer ist in einer Zusammenarbeit der Detektorengruppe und der technischen Dienste des PSI neu entwickelt worden“, erklärt Malte Hildebrandt, Forscher am PSI und Leiter der Detektorengruppe.

„In die Zeitprojektionskammer wurde jeweils ein einzelnes Myon hineingebracht“, sagt Bernhard Lauss, Experimentalphysiker am PSI. „Es verdrängte das Elektron aus einem der Wasserstoffatome und bewegte sich an dessen Stelle um das Proton – den Kern des Wasserstoffatoms.“ Nun kann das Myon zerfallen und ein Elektron aussenden, das von Detektoren registriert wird. Das ans Proton gebundene Myon kann aber auch vom Proton eingefangen werden und so auf noch einem weiteren Weg verschwinden. Wegen dieser zusätzlichen Möglichkeit „lebt“ ein Myon in der Nähe eines Protons im Mittel kürzer als ein freies Myon. Diese Lebensdauer bestimmt man, indem man die beim Zerfall entstehenden Elektronen beobachtet. Aus dem Vergleich dieser Lebensdauer mit derjenigen des freien Myons, die aus Messungen am PSI sehr genau bekannt ist, kann man die entsprechende Kopplungskonstante berechnen.

„Ein solches Experiment ist zurzeit nur am PSI möglich“, betont Peter Kammel, einer der zwei Sprecher des Experiments, der an der Universität von Washington in Seattle (USA) forscht. „Denn nur an der Beschleunigeranlage des PSI werden genug Myonen erzeugt, damit das Experiment in einer realistischen Zeit durchgeführt werden kann.“ Für das Projekt wurde eine neue Methode entwickelt, mit der die entstandenen Myonen und andere Teilchen direkt im Wasserstofftank sichtbar gemacht werden konnten. So konnte man den Myonenstrahl direkt nach Ankunft eines Myons blockieren, sodass sich stets nur ein einzelnes Myon im Experiment befand. Zugleich konnte sofort ein neues Teilchen nachgeliefert werden, sobald das vorherige zerfallen war. Dadurch ging keine Zeit zwischen den aufeinanderfolgenden Myonen verloren. Dennoch dauerte das Experiment mehrere Jahre.

Das Experiment ist ein Beispiel für Forschung in der Teilchenphysik, bei der es darauf ankommt, viele Teilchen – hier Myonen – zur Verfügung zu haben, damit man eine Größe besonders genau messen kann. Diese Arbeiten sind komplementär zu Experimenten an den großen Beschleunigeranlagen, an denen man Teilchenstrahlen hoher Energie nutzt, mit denen man tief in das Innere anderer Teilchen schauen oder neue Teilchen mit hohen Massen erzeugen kann.

Lange bevor das Experiment durchgeführt war, hatten theoretische Physiker den Wert der Kopplungskonstante berechnet. So sahen die Experimentatoren die Gefahr, dass sie sich bei der Auswertung ihrer Messergebnisse unbewusst vom berechneten Wert beeinflussen lassen könnten. Um das zu verhindern, hatten sie die Ergebnisse um einen geheimen Faktor verändert. So konnten sie beim Auswerten nicht erkennen, wie nahe ihre Ergebnisse am vorausgesagten Wert waren. „Erst bei einem „Unblinding meeting“ – einem „Offenlegungstreffen“ – nach Abschluss der Auswertung wurde der geheime Wert offengelegt, sodass man das tatsächliche Ergebnis berechnen konnte“, erklärt Claude Petitjean, der zweite Sprecher des Experiments.

P. Piwnicki (PSI) / PH

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