Schwarze Löcher: Magnetfelder als Windmaschine
Magnetohydrodynamisches Modell beschreibt Winde sowohl stellarer als auch supermassereicher schwarzer Löcher.
Ob stellares schwarzes Loch mit zehnfacher Sonnenmasse oder supermassereiches schwarzes Loch mit milliardenfacher Sonnenmasse: Ein und dasselbe magnetohydrodynamische Modell beschreibt den Wind aus Gas, der von der Akkretionsscheibe aus mit hoher Geschwindigkeit ins All strömt. Zu diesem überraschenden Schluss kommt jetzt ein internationales Forscherteam um Keigo Fukumura von der James Madison University im US-
ImAbb.: Künstlerische Darstellung des stellaren Schwarzen Lochs GRO J1655-40. (Bild: NASA / CXC / A. Hobart) age Caption
Solche Plasmaströme mit Geschwindigkeiten von einigen hundert Kilometern pro Sekunde bis hin zu zwei Zehnteln der Lichtgeschwindigkeit sind ein typisches Nebenprodukt der Akkretion von Materie durch schwarze Löcher. Ohne diese Winde könnten die Akkretionsscheiben keinen Drehimpuls nach außen abgeben – mithin könnte die Materie nicht aus der Scheibe in das schwarze Loch hinein fallen. Zudem beeinflusst der Wind die Umgebung eines schwarzen Lochs, vom Zustrom weiterer Materie zur Akkretionsscheibe bis hin zur Sternentstehung in ganzen Galaxien.
Wie aber entsteht der Wind einer Akkretionsscheibe? „Es gibt eine Vielzahl möglicher Prozesse, die solche Winde erzeugen könnten“, konstatieren Fukumura und seine Kollegen, „deshalb ist die Ursache bislang umstritten.“ Zwar favorisieren viele Astronomen seit langem Magnetfelder als Ursache, doch bislang sind die Belege dafür lediglich indirekter Natur. So stieß das Team um Fukumura bereits 2010 bei supermassereichen schwarzen Löchern auf eine Korrelation der Windgeschwindigkeit mit der Ionisation, die konsistent mit einem magnetischen Antrieb des Windes ist.
Jetzt beschritten die Forscher jedoch einen anderen Weg. Für das stellare schwarze Loch GRO J1655-40 entwickelten sie ein grundlegendes magnetohydrodynamisches Modell für die Entstehung des Windes aus der Akkretionsscheibe und die sich daraus ergebenden Absorptionsspektren. Mit diesem Modell konnten die Forscher erfolgreich die vorliegenden, hoch aufgelösten Röntgenspektren von GRO J1655-40 reproduzieren. Die eigentliche Überraschung für die Forscher war jedoch eine andere. Sie hatten ihr Modell nämlich ursprünglich nicht für stellare schwarze Löcher, sondern für supermassereiche schwarze Löcher entwickelt – und auch deren Spektren konnte es erfolgreiche reproduzieren.
Das sei nicht nur „ein klares theoretisches Argument für den magnetohydrodynamischen Ursprung“ des Windes, so Fukumura und seine Kollegen, sondern zeige drüber hinaus „ein und dieselbe magnetische Struktur der beobachteten Winde über alle Größen schwarzer Löcher hinweg.“
Jon Miller von der University of Michigan in Ann Arbor, der nicht zu Fukumuras Team gehört, vergleicht die bisherige Situation mit der Rekonstruktion eines Unfalls aus den gesammelten Trümmerstücken. „Mit dem neuen Modell ist es erstmals gelungen, die Situation vor dem Unfall zu rekonstruieren und zu zeigen, dass sich damit die Beobachtungen reproduzieren lassen“, so Miller. „Das liefert uns einen tiefen, unabhängigen Einblick in das Problem.“ Mit weiteren Beobachtungen an schwarzen Löchern unterschiedlicher Masse sollen nun die Vorhersagen des Modells von Fukumura und seinen Kollegen weiter überprüft werden.
Rainer Kayser
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