07.06.2021

Schweres Wasser bremst biologische Uhr

Bewegung von Zellen und ihre Dynamik laufen nur noch in Zeitlupe ab.

Wissen­schaftlern der Universität Leipzig ist es in Zusammen­arbeit mit Kollegen aus Deutschland und England gelungen, zelluläre Prozesse reversibel zu verlangsamen. Die Biophysiker um Josef Alfons Käs und Jörg Schnauß konnten in Experi­menten erstmals zeigen, dass sich Zellen in schwerem Wasser bei gleicher Temperatur wie in Zeitlupe verhalten können. Solche Möglich­keiten gab es aus physika­lischer Sicht bisher nur im Rahmen der Relativitäts­theorie. 

Abb.: Fluoreszenz­aufnahmen zeigen, dass sich Zellen nicht sichtbar...
Abb.: Fluoreszenz­aufnahmen zeigen, dass sich Zellen nicht sichtbar morpho­logisch veränderten. Die Verlang­samung der Dynamiken beruht einzig auf der Anwesen­heit von schwerem Wasser. (Bild: S. Grosser, U. Leipzig)

„Schweres Wasser kennen viele allgemeinhin eher noch als wichtiges technisches Mittel aus Atomkraft­werken. Wir haben hier einen anderen Weg beschritten und konnten zeigen, dass sich die Zeit für Zellen beziehungsweise der Ablauf ihrer Dynamiken in Umgebungen mit schwerem Wasser deutlich verlang­samen lässt“, sagt Käs, der sich der Erforschung der physi­kalischen Eigenschaften von Zellen und Gewebe verschrieben hat. Die Forschungen hätten auf verschiedenen biologischen Ebenen gezeigt, dass die Bewegung von Zellen und ihre Dynamik nur noch in Zeitlupe ablaufen. „Das interessante ist, dass zelluläre Dynamiken bei gleicher Temperatur verlangsamt werden können. Solche Möglichkeiten bietet im physika­lischen Kontext bisher nur die Relativitäts­theorie“ erklärt Käs. Die Resultate bildeten die Grundlage für ein Verfahren, um Zellen und Organe möglicher­weise länger vor Dege­neration schützen zu können.

Die Forscher bestätigten diesen Effekt mit einer Vielzahl komplementärer Methoden und führten die Beobachtungen auf eine erhöhte Interaktion zwischen den Struktur­proteinen zurück. „Schweres Wasser bildet ebenfalls Wasserstoff­brücken­bindungen aus, welche jedoch stärker sind als in normalen wässrigen Umgebungen. Hierdurch scheinen Struktur­proteine wie Aktin stärker untereinander zu interagieren und sich immer wieder kurzzeitig zu verkleben. Spektakulär ist hierbei, dass die Effekte reversibel sind und Zellen wieder ihre nativen Eigen­schaften zeigen, sobald sie in ein normales wässriges Medium transferiert werden“, sagt Jörg Schnauß.

„Noch erstaunlicher ist, dass sich die Veränderungen wie bei einem passiven Material verhalten. Zellen sind jedoch höchst aktiv und fernab vom thermo­dynamischen Gleichgewicht. Verhalten sie sich wie ein passives Material, sind sie sonst eigentlich tot“, ergänzt Käs. Wie die Forscher zeigen konnten, ist dies jedoch in ihren Experimenten nicht der Fall. Sie hoffen nun, die gewonnenen Erkennt­nisse nutzen zu können, um Zellen oder sogar Gewebe länger vital halten zu können. Sollte sich dieser Ansatz bestätigen, könnte schweres Wasser für längere Aufbewahrungs­zeiten, zum Beispiel während der Trans­plantation von Organen, genutzt werden.

U. Leipzig / JOL

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