Schwerionen-Bestrahlung gegen Tumore
Neues Verfahren für ultraschnelle, hochdosierte Schwerionen-Bestrahlung getestet.
Es könnte ein Durchbruch für zukünftige Tumorbehandlungen mit schweren Ionen werden und neue Wege ebnen: In der aktuellen Experimentierzeit FAIR-Phase-0 ist es am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung und dem künftigen Beschleunigerzentrum FAIR erstmals gelungen, ein Kohlenstoffionen-FLASH-Experiment durchzuführen. Die beteiligten Wissenschaftler waren in der Lage, die erforderlichen sehr hohen Dosisleistungen zu erreichen und Tumore zu bestrahlen. Der Erfolg war eine gemeinsame Anstrengung der GSI-Abteilung Biophysik und der Beschleunigercrew auf dem GSI-/FAIR-Campus in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ und dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT).
Das FLASH-Verfahren ist eine neue, vielversprechende Möglichkeit der Strahlentherapie. In der Strahlenmedizin soll eine ultrakurze und ultrahoch dosierte Bestrahlung die Behandlungsdosis in Zeitskalen von unter einer Sekunde abgeben. Bei der traditionellen Strahlentherapie, aber auch bei der Protonen- oder Ionentherapie werden den Erkrankten über einen längeren Zeitraum kleinere Strahlendosen verabreicht, während bei der FLASH-Strahlentherapie nur wenige kurze Bestrahlungen erforderlich sein könnten, die alle weniger als 100 Millisekunden dauern. Jüngste in-vivo-Untersuchungen konnten im Bereich der Elektronenstrahlung bereits zeigen, dass ein FLASH-Verfahren mit einer ultrahohen Dosisrate weniger schädlich für gesundes Gewebe ist, aber genauso effizient wie konventionelle Dosisleistungsstrahlung, um das Tumorwachstum zu hemmen. Für die Protonen- und auch für die Ionenstrahl-Bestrahlung, wie sie der bei GSI entwickelten Tumortherapie mit Kohlenstoff-Ionen zugrunde liegt, ist ein solcher Effekt noch nicht nachgewiesen. Hier steht noch viel Forschungsarbeit an. Die Ergebnisse des aktuellen Experiments bei GSI werden nun ausgewertet und sollen zu neuem Erkenntnisgewinn beitragen.
Aber nicht nur wissenschaftlich, sondern auch technisch ist das Thema eine große Herausforderung: Bisher war eine solche FLASH-Technik nämlich nur an Elektronen- und Protonenbeschleunigern anwendbar. Während mit einem Zyklotron die erforderlichen Dosisleistungen für Elektronen und Protonen erreicht werden kann, ist dies mit den in der Schwerionentherapie benötigten Synchrotrons schwieriger. Deshalb ist das aktuelle Experiment im Rahmen der FAIR-Phase Null ein ganz entscheidender Schritt: Durch die Leistungssteigerung an der bestehenden Beschleunigeranlage kann nun auch für Kohlenstoff die nötige Dosisrate im Millisekunden-Bereich erreicht werden. Bevor das Verfahren bei Patienten routinemäßig zum Einsatz kommen kann, braucht es allerdings noch viel technische Entwicklung und viele Untersuchungen.
Der Leiter der GSI-Forschungsabteilung Biophysik, Marco Durante, zeigte sich sehr erfreut über den wichtigen Erfolg: „Es ist eine zukunftsweisende Methode, die das therapeutische Fenster in der Strahlentherapie erheblich vergrößern könnte. Es freut mich sehr, dass die Forschenden und das Beschleunigerteam demonstrieren konnten, dass es möglich ist, mit Kohlenstoffstrahlen Bedingungen zu erzeugen, wie sie für eine FLASH-Therapie von Tumoren notwendig sind. Wenn es gelingt, die große Wirkung und Präzision der Schwerionentherapie mit einer FLASH-Bestrahlung bei gleichbleibender Wirksamkeit und schädigungsarm für das gesunde Gewebe zu kombinieren, könnte dies den Weg für eine zukünftige Schwerionentherapie in einigen Jahren ebnen.“
Der wissenschaftliche Geschäftsführer von GSI und FAIR, Paolo Giubellino, ergänzt: „Die Kombination aus Expertise in Biophysik und Medizin sowie ingenieurstechnischer Spitzenleistung ermöglicht es, erste weltweit herausragende Experimente zur FLASH-Bestrahlung mit Ionenstrahlen durchzuführen. Daraus könnten sich wichtige Ergänzungen zu bestehenden Strahlentherapien ergeben. Die Anwendungen in der Tumortherapie sind eines der Forschungsgebiete, die von den jüngst erhöhten Intensitäten der GSI-Beschleuniger profitieren können. Die moderne Radiobiologie wird einen erheblichen Nutzen von Strahlen mit noch höheren Intensitäten haben, wie wir sie an der im Bau befindliche FAIR-Anlage bieten werden. FLASH ist ein erstes Beispiel für diese zukünftigen Arbeitsausrichtungen.“
GSI / JOL
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(KS)