17.06.2021

Schwerionen-Bestrahlung gegen Tumore

Neues Verfahren für ultraschnelle, hochdosierte Schwerionen-Bestrahlung getestet.

Es könnte ein Durchbruch für zukünftige Tumor­behandlungen mit schweren Ionen werden und neue Wege ebnen: In der aktuellen Experimen­tierzeit FAIR-Phase-0 ist es am GSI Helmholtz­zentrum für Schwerionen­forschung und dem künftigen Beschleuniger­zentrum FAIR erstmals gelungen, ein Kohlen­stoffionen-FLASH-Experiment durchzuführen. Die beteiligten Wissenschaftler waren in der Lage, die erfor­derlichen sehr hohen Dosisleistungen zu erreichen und Tumore zu bestrahlen. Der Erfolg war eine gemeinsame Anstrengung der GSI-Abteilung Biophysik und der Beschleu­niger­crew auf dem GSI-/FAIR-Campus in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungs­zentrum DKFZ und dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapie­zentrum (HIT).

Abb.: Aufbau für das Kohlen­stoffionen-FLASH-Experiment. (Bild: Biophysik,...
Abb.: Aufbau für das Kohlen­stoffionen-FLASH-Experiment. (Bild: Biophysik, GSI)

Das FLASH-Verfahren ist eine neue, vielver­sprechende Möglichkeit der Strahlen­therapie. In der Strahlen­medizin soll eine ultrakurze und ultrahoch dosierte Bestrahlung die Behandlungs­dosis in Zeitskalen von unter einer Sekunde abgeben. Bei der traditionellen Strahlen­therapie, aber auch bei der Protonen- oder Ionen­therapie werden den Erkrankten über einen längeren Zeitraum kleinere Strahlendosen verabreicht, während bei der FLASH-Strahlen­therapie nur wenige kurze Bestrahlungen erfor­derlich sein könnten, die alle weniger als 100 Millisekunden dauern. Jüngste in-vivo-Unter­suchungen konnten im Bereich der Elektronen­strahlung bereits zeigen, dass ein FLASH-Verfahren mit einer ultrahohen Dosisrate weniger schädlich für gesundes Gewebe ist, aber genauso effizient wie konven­tionelle Dosisleistungs­strahlung, um das Tumorwachstum zu hemmen. Für die Protonen- und auch für die Ionenstrahl-Bestrahlung, wie sie der bei GSI entwickelten Tumortherapie mit Kohlenstoff-Ionen zugrunde liegt, ist ein solcher Effekt noch nicht nachgewiesen. Hier steht noch viel Forschungs­arbeit an. Die Ergebnisse des aktuellen Experiments bei GSI werden nun ausgewertet und sollen zu neuem Erkenntnis­gewinn beitragen.

Aber nicht nur wissen­schaftlich, sondern auch technisch ist das Thema eine große Heraus­forderung: Bisher war eine solche FLASH-Technik nämlich nur an Elektronen- und Protonen­beschleunigern anwendbar. Während mit einem Zyklotron die erforderlichen Dosis­leistungen für Elektronen und Protonen erreicht werden kann, ist dies mit den in der Schwerionen­therapie benötigten Synchro­trons schwieriger. Deshalb ist das aktuelle Experiment im Rahmen der FAIR-Phase Null ein ganz entscheidender Schritt: Durch die Leistungs­steigerung an der bestehenden Beschleuniger­anlage kann nun auch für Kohlenstoff die nötige Dosisrate im Millisekunden-Bereich erreicht werden. Bevor das Verfahren bei Patienten routinemäßig zum Einsatz kommen kann, braucht es allerdings noch viel technische Entwicklung und viele Unter­suchungen.

Der Leiter der GSI-Forschungs­abteilung Biophysik, Marco Durante, zeigte sich sehr erfreut über den wichtigen Erfolg: „Es ist eine zukunfts­weisende Methode, die das therapeutische Fenster in der Strahlen­therapie erheblich vergrößern könnte. Es freut mich sehr, dass die Forschenden und das Beschleuniger­team demonstrieren konnten, dass es möglich ist, mit Kohlenstoff­strahlen Bedingungen zu erzeugen, wie sie für eine FLASH-Therapie von Tumoren notwendig sind. Wenn es gelingt, die große Wirkung und Präzision der Schwerionen­therapie mit einer FLASH-Bestrahlung bei gleic­hbleibender Wirksamkeit und schädigungs­arm für das gesunde Gewebe zu kombinieren, könnte dies den Weg für eine zukünftige Schwerionen­therapie in einigen Jahren ebnen.“

Der wissen­schaftliche Geschäfts­führer von GSI und FAIR, Paolo Giubellino, ergänzt: „Die Kombination aus Expertise in Biophysik und Medizin sowie ingenieurs­technischer Spitzen­leistung ermöglicht es, erste weltweit herausragende Experimente zur FLASH-Bestrahlung mit Ionen­strahlen durchzuführen. Daraus könnten sich wichtige Ergänzungen zu bestehenden Strahlen­therapien ergeben. Die Anwendungen in der Tumortherapie sind eines der Forschungs­gebiete, die von den jüngst erhöhten Intensitäten der GSI-Beschleuniger profitieren können. Die moderne Radio­biologie wird einen erheblichen Nutzen von Strahlen mit noch höheren Inten­sitäten haben, wie wir sie an der im Bau befindliche FAIR-Anlage bieten werden. FLASH ist ein erstes Beispiel für diese zukünftigen Arbeits­ausrichtungen.“

GSI / JOL

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(KS)

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