Schwimmende Windräder auf hoher See
Weltweites Industriekonsortium will einheitliche Standards für „Floatings“ entwickeln.
Während im Landesinneren nur ein laues Lüftchen weht, herrscht auf See meistens eine steife Brise. Um diese natürliche Energiequelle zu nutzen, entstehen an der Küste entlang der Nord- und Ostsee immer mehr Offshore-Windparks, die auf dem Meer umweltfreundlichen Strom produzieren. „Der Energieertrag einer Offshore-Anlage ist umso höher, je weiter sie sich auf dem offenen Meer befindet, da hier der Wind noch stärker weht als in Küstennähe“, sagt Jan Rispens vom Cluster Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH-Cluster).
Abb.: „Floatings“ – schwimmende Windenergieanlagen – nutzen die Windkraft auf dem offenen Meer, um umweltfreundlich Strom zu erzeugen. (Bild: DNV GL)
Aus technischen Gründen können ab einer Wassertiefe von ungefähr 50 Metern aber keine fest im Meeresboden verankerten Fundamente für Offshore-Windenergieanlagen gebaut werden. Experten entwickeln deshalb weltweit Techniken für schwimmende Konstruktionen. Derzeit gibt es viele verschiedene technische Ansätze, Windrädern das Schwimmen beizubringen. Erstmals hat sich jetzt ein Konsortium aus 13 internationalen Unternehmen der Wind, Öl- und Gasindustrie sowie dem maritimen Sektor zu einem „Joint Industry Project“ gebildet, um die Floating-Technik zu vereinheitlichen und gemeinsam voranzubringen. Ziel ist es, einen neuen technischen Standard für schwimmende Windkraftwerken zu entwickeln, um so allgemein gültige Vorgaben für die Produktion sowie die technische Überprüfung und Analyse zu generieren.
Dank des Windes auf dem Meer haben Floatings einen hohen Energieertrag. Zudem sind für den Bau der Anlagen keine teuren Errichterschiffe mehr nötig. Die Anlagen lassen sich an Land montieren und mit einfachen Schlepperschiffen auf das offene Meer bringen. „Die Entwicklung von schwimmenden Windenergieanlagen befindet sich aktuell noch in der Anfangsphase“, sagt Rispens. „Die meisten bisher gebauten Floating-Anlagen sind Prototypen und werden überwiegend zu Erprobungszwecken genutzt.“ Der Pionier der Branche ist der norwegische Erdölkonzern StatoilHydro. Seit 2009 betreiben die Norweger im Åmøy-Fjord in der Nähe von Stavanger eine schwimmende Windenergieanlage. Vor Schottland will der Konzern bis 2017 eine 215 Millionen teure schwimmende Windfarm mit sechs Windenergieanlagen bauen.
In Portugal errichtet ein Konsortium rund um das Unternehmen EDPR bis 2018 das Floating-Testfeld „WindFloat Atlantic Project“ mit vier Anlagen. Weitere Testanlagen unterschiedlicher Größe befinden sich ebenfalls an den Küsten von Japan. Die bisher gebauten Floating-Modelle unterscheiden sich in drei wesentlichen Punkten. Zum ersten darin, ob die Schwimmkonstruktion eine einzelne oder mehrere Windkraftanlagen auf dem Wasser trägt, zum zweiten in der Auftriebstechnik zum Beispiel mit schwimmenden Bojen und in der Methode, wie das Floating auf dem Meer verankert und befestigt wird.
Floatings sind komplexe technische Konstruktionen, bei deren Bau und Betrieb viele verschiedene technische Disziplinen aufeinandertreffen. „Um die Technik des Floatings weiter voranzubringen, müssen Experten aus den verschiedensten Bereichen ihre Köpfe zusammenstecken und ihr Know-how teilen“, sagt Rispens. Derzeit sind sie noch sehr kostenintensiv. Überwiegend muss teurer Stahl für die Konstruktion verwendet werden. „Ideal wären technische Lösungen aus Beton, da dieses Material kostengünstiger ist. So könnten Floatings bei gleichbleibender Effizienz wirtschaftlicher gemacht werden“, erklärt Rispens und ist sich sicher, dass das jüngst gegründete internationale „Joint Industry Project“ des DNV GL die Technik entscheidend voranbringen kann.
EEHH / JOL