13.04.2018

Schwingende Atome schalten elektrische Polarisation von Kristallen

Zeitaufgelöstes Röntgen­experi­ment zeigt Ver­schie­bung von Elek­tronen.

Ferroelektrische Kristalle besitzen eine makro­sko­pische elek­trische Polari­sa­tion, die durch die Über­lage­rung sehr vieler Dipole auf atomarer Skala hervor­ge­rufen wird. Ent­schei­dend ist dabei die räum­liche Tren­nung von negativ ge­ladenen Elek­tronen und positiv ge­ladenen Atomk­ernen. Man erwartet eine Ände­rung der makro­sko­pischen Polari­sa­tion, sobald die Atome in Bewegung ver­setzt werden. Der Zusammen­hang zwischen atomarer Bewegung und Polari­sa­tion ist jedoch unbe­kannt. Ein zeit­auf­ge­löstes Röntgen­experi­ment zeigt jetzt, dass atomare Schwin­gungen mit einer winzigen Aus­lenkung Elek­tronen über eine tausend­fach größere Distanz zwischen Atomen ver­schieben und die makro­sko­pische Polari­sa­tion auf einer Zeit­skala von Piko­sekunden ums­chalten.

Abb.: Kristallgitter des ferro­elek­tri­schen Ammonium­sulfats mit ver­kippten Ammonium-Tetra­edern und Sulfat-Tetra­edern sowie statio­näre Elek­tronen­dichte von Schwefel und Sauer­stoff­atomen. (Bild: MBI)

Ferroelektrische Materialien sind von großer Bedeutung für Anwen­dungen in elek­tro­nischen Sensoren, Speichern und Schalt­ele­menten. Für ihre Funktion ist eine kon­trol­lierte und schnelle Ver­ände­rung der elek­trischen Eigen­schaften durch externe mecha­nische Kräfte oder elek­trische Spannungen wichtig. Das erfordert ein Ver­ständnis des Zusammen­hangs zwischen der atomaren Struktur und den makro­sko­pischen elek­trischen Eigen­schaften, ein­schließ­lich der physi­ka­lischen Mecha­nismen, die eine schnellst­mög­liche Dynamik der makro­sko­pischen Polari­sa­tion bestimmen.

Wissenschaftler des Max-Born-Instituts in Berlin haben jetzt gezeigt, wie atomare Schwin­gungen die makro­sko­pische elek­trische Polari­sa­tion des proto­typischen Ferro­elek­trikums Ammonium­sulfat auf der Zeit­skala weniger Piko­sekunden modu­lieren. Sie berichten über ein Röntgen­experi­ment im Ultra­kurz­zeit­bereich, das die quanti­ta­tive Auf­zeich­nung von Ladungs­bewe­gungen über Distanzen im Bereich von Atom­durch­messern erlaubt. In den Messungen ver­setzt ein ultra­kurzer optischer Anrege­impuls Atome des Materials, eines aus kleinen Kristal­liten beste­henden Pulvers, in Schwingung. Ein zeit­lich ver­zögerter harter Röntgen­impuls wird an der ange­regten Probe gebeugt, um die momen­tane atomare Anord­nung in Form eines Röntgen­beugungs­musters zu erfassen. Die Abfolge solcher Schnapp­schüsse ergibt einen Film der Ladungs­dichte­karte, aus der die räum­liche Ver­tei­lung der Elek­tronen und die atomaren Bewegungen für jeden Zeit­punkt bestimmt werden.

Die Elektronendichtekarten zeigen eine Elek­tronen­bewe­gung über Längen von hundert Piko­metern, mehr als tausend Mal größer als die Aus­len­kungen der Atome. Dieses Ver­halten bestimmt die momen­tanen lokalen Dipole auf atomarer Skala. Es wird durch das komplexe Zusammen­wirken lokaler elek­trischer Felder und polari­sier­barer Elek­tronen­wolken der Atome ver­ursacht. Mit einem neu­artigen theore­tischen Forma­lismus lässt sich nun aus den zeit­abhän­gigen Ladungs­ver­tei­lungen in der atomaren Welt die elek­trische Polari­sa­tion in der makro­sko­pischen Welt bestimmen. Die makro­sko­pische Polari­sa­tion wird durch die atomaren Schwin­gungen stark modu­liert und kehrt im Takt mit den Schwin­gungen sogar ihr Vor­zeichen um. Die Modula­tions­frequenz von drei­hundert Giga­hertz ist durch die atomare Schwin­gungs­frequenz bestimmt und ent­spricht einer Rich­tungs­umkehr der Polari­sa­tion innerhalb von 1,5 Piko­sekunden, viel schneller als in der­zeit existie­renden ferro­elek­trischen Bau­ele­menten. An der Ober­fläche eines Kristal­lits treten dabei elek­trische Felder von unge­fähr sieben­hundert Milli­onen Volt pro Meter auf.

Diese Ergebnisse etablieren die zeit­auf­ge­löste Ultra­kurz­zeit-Röntgen­beugung als neue Methode für die Ver­knüp­fung atomarer Dynamik mit makro­sko­pischen elek­trischen Eigen­schaften. Damit können quanten­theore­tische Vor­her­sagen elek­trischer Eigen­schaften über­prüft und neue polare oder ionische Materi­alien im Hin­blick auf ihre Eignung für Höchst­frequenz­elek­tronik charak­teri­siert werden.

FV Berlin / RK

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