Selbst-rekonstruierende Laserstrahlen
Ein neues Konzept in der Lichtmikroskopie ermöglicht tieferen Einblick in inhomogene Materie.
Ein neues Konzept in der Lichtmikroskopie ermöglicht tieferen Einblick in inhomogene Materie.
Jeder Autofahrer kennt die Schwierigkeiten, wenn im Herbst auf nebligen Straßen die Sichtweite unter 50 Meter sinkt. Das Licht der Scheinwerfer wird an den Nebeltröpfchen gestreut und beleuchtet auftretende Hindernisse nicht ausreichend, weil es sie nicht mehr erreicht. Dieses alltägliche Beispiel veranschaulicht ein Problem der Lichtmikroskopie: Bei deren Einsatz in der modernen Zellbiologie streuen dichte Ansammlungen von Tausenden von Zellen das Beleuchtungslicht so stark, dass die Zellen im hinteren Teil des Objekts kaum noch zu sehen sind. Das Konzept selbst-rekonstruierender Laserstrahlen könnte einen Lösungsansatz dieser Problematik bieten.
Abb.: Links: Foto eines Besselstrahls im Inneren der Probenkammer. Während der Messung fährt der Beleuchtungsstrahl sehr schnell den zu untersuchenden Probenbereich ab. Rechts: Foto des gesamten Mikroskops. (Bild: Rohrbach)
Alexander Rohrbach vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg entwickelt mit seiner Arbeitsgruppe neuartige, unkonventionelle Mikroskopieverfahren. „Wir arbeiten seit vier Jahren an dem Thema“, erklärt sein Mitarbeiter Florian Fahrbach: „Ohne die Unterstützung des Freiburger Exzellenzclusters BIOSS, Centre for Biological Signalling Studies, aber auch der Firma Carl Zeiss MicroImaging GmbH hätten wir das jetzt vorgestellte Konzept nur sehr schwer realisieren können!“ Rohrbach freut sich, denn: „Hier wurde der direkte Transfer von der Grundlagenforschung in die Anwendung mit dem neuen Mikroskop erreicht. Das ist ganz sicher das, was ein Forscher sich wünscht!“
Die Strahlen des neuartigen Lichtmikroskops bündeln sich beim Durchdringen lichtstreuender Materie wieder selbst. Das Verfahren erlaubt nicht nur neue Einblicke in die Physik der komplexen Lichtstreuung, sondern ermöglicht es beispielsweise, circa 50 Prozent tiefer in menschliche Haut hineinzuschauen als bisher mit konventionellen Laserstrahlen. Ihre Neuentwicklung nennen die Forscher MISERB (microscope with self-reconstructing beams).
In mehreren Experimenten konnten die Freiburger Wissenschaftler zeigen, dass sich speziell geformte Laserstrahlen auch dann selbst rekonstruieren können, wenn verschiedene Hindernisse, im Extremfall viele licht-streuende biologische Zellen, das Profil des Laserstrahls immer wieder zerstören. Die Selbstrekonstruktion funktioniert, weil gestreute Photonen im Zentrum des Strahls kontinuierlich durch neue, von der Seite kommende Photonen ersetzt werden. Erstaunlich ist allerdings, dass die Photonen von der Seite trotz massiver Verzögerungen durch die Streuer alle fast phasengleich im Zentrum eintreffen, um dort ein neues Strahlprofil zu bilden. Die Forscher formten hierzu gewöhnliche Laserstrahlen durch ein Computer-gesteuertes Hologramm, ein Gerät, das die Phase des Lichts verändert, zu so genannten Bessel-Strahlen um. Deren Phasenquerschnitt entspricht dem Verlauf eines Kegels. Obwohl Bessel-Strahlen als beugungsfreie Strahlen gelten, war bislang völlig unklar, ob und inwieweit sie auch in inhomogener Materie, also dort, wo viel Streuung stattfindet, ihre ursprüngliche Strahlform von alleine zurückgewinnen können.
Einerseits verheißen die Ergebnisse dieser Studie weitere physikalische Experimente im Bereich der nichtlinearen Optik. Andererseits bestehen berechtigte Hoffnungen, dass neue biologische Signalkaskaden tief im Inneren von lebenden Organismen besser als bisher sichtbar gemacht werden können.
CGA, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau/AL