Siedendes Wasser ohne blubbernde Blasen
Fein strukturierte Oberfläche stabilisiert hauchdünne Dampfschicht und unterdrückt Blasenbildung im kochenden Wasser.
Vor über 250 Jahren entdeckte 1756 Johann Gottlob Leidenfrost in Duisburg die Ursache für den wirren Tanz von Wassertropfen, die auf eine heiße Herdplatte fallen. Verantwortlich ist die rasche Bildung eines Dampfpolsters, das zugleich den Rest des Tropfens von der direkten Wärmeübertragung isoliert und so dessen flüssigen Aggregatzustand kurzfristig stabilisiert. Dieses Leidenfrost-Phänomen nutzen nun arabische und amerikanische Forscher, um Wasser ohne Blasenbildung zum Kochen zu bringen.
Abb.: Aufgeheizte Stahlkugeln in kochendem Wasser: Links bildet sich dank der superhydrophoben Oberfläche eine gleichmäßige Dampfschicht auf. Rechts dagegen entstehen auf einer unbehandelten Oberfläche zahlreiche kleine Blasen. (Bild: I. Vakarelski)
„Nun lassen sich Oberflächen entwickeln, auf denen eine Flüssigkeit beim Kochen niemals Blasen bildet“, sagen Ivan Vakarelski von der King Abdullah University of Science and Technology in Thuwal und sein Kollege Neelesh Patankar von der Northwestern University in Evanston. Dazu beschichteten die Forscher eine zwei Zentimeter kleine Stahlkugel mit einem stark wasserabstoßenden, superhydrophoben Lack. Dieser bestand aus speziellen organischen Substanzen und fein verteilten Nanopartikeln. Aufgeheizt auf bis zu 400 Grad Celsius tauchten Vakarelski und Kollegen diese Stahlkugel in heißes Wasser. Sofort bildete sich rund um die Kugel ein dünner Film aus Wasserdampf analog zu dem Dampfpolster unter den auf der Herdplatte tanzenden Tropfen.
Der Grund für dieses Verhalten liegt offenbar in der Beschichtung der Kugeloberfläche. In Vergleichsexperimenten sowohl mit unbehandelten, glatten Stahlkugeln als auch mit Exemplaren, die eine nanostruktuierte, hydrophile Oberfläche besaßen, entwickelten sich nämlich schnell viele kleine Dampfblasen, die durch das Wasser blubbernd aufstiegen. Extrem wasserabstoßende Oberflächen stabilisieren demnach den nach Leidenfrost benannten Verdampfungszustand von Wasser.
Vakarelski und Kollegen können sich aufbauend auf ihre Ergebnisse konkrete Anwendungen vorstellen. „Denn Wärmetransport und kochendes Wasser tritt in vielen industriellen Prozessen auf“, erklären sie. Wird dabei eine mitunter gefährliche Blasenbildung heute durch eine genaue Betriebskontrolle vermieden, könnten in Zukunft fein strukturierte Oberflächen von Röhren und Kesseln die Sicherheit weiter erhöhen. Vor allem in Kraftwerken könnte die Gefahr von plötzlich entstehenden Blasen bei einem Siedeverzug verringert werden. Da die blasenhemmenden Dampfschichten allerdings wärmeisolierend wirken, ist es jedoch wahrscheinlich, dass das Aufheizen in speziell beschichteten Kesseln länger dauert und mehr Heizenergie benötigt.
„Andererseits ließe sich mit superhydrophilen Oberflächen die Blasenbildung bis zu sehr hohen Temperaturen stabilisieren und so die Wärmetransportrate signifikant erhöhen“, sagen Vakarelski und Patankar.
Jan Oliver Löfken
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