02.01.2018

Solarstrom, Stromnetze, Speicher

Energietechnologien im Jahresrückblick 2017.

Trotz aller Kritik sind die Fortschritte der Energie­wende in Deutsch­land 2017 unübersehbar. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Strom­erzeugung stieg auf 38,5 Prozent, an manchen Tagen deckten Solar- und Windkraftwerke sogar den kompletten Bedarf. Seit 2017 werden in fünf Schaufenster­regionen die weiteren Schritte der Energiewende unter besonderer Berück­sichtigung der Kopplung mit den Sektoren Wärme und Verkehr vorangetrieben. Zugleich unter­stützen 95 Prozent der Deutschen weiterhin den verstärkten Ausbau der erneuer­baren Energien.

Abb.: Neue Prognosemodelle für Wind und Sonne liefern eine sehr hohe Vorhersagegenauigkeit und an den Netzbetrieb angepasste Wetterwarnungen. So sind sie den üblicherweise verwendeten Verfahren vor allem bei extremen Wetterlagen wie starkem Wind überlegen. (Bild: Fh.-IWES)

Damit der positive Trend weiter anhält, ent­wickelten Forscher am Fraun­hofer-Institut für Wind­­energie und Energie­­system­­­technik IWES in Kassel neue mathe­matische Modelle, um die Erzeugungs­prognosen für Wind- und Solarparks weiter zu optimieren. Das große Potenzial der zuneh­menden Digita­lisierung der Energi­esysteme lotete das neue Zentrum für Energie und Information in Garching aus. Auch das Karlsruher Institut für Technologie setzte verstärkt auf eine vernetzte Forschung für die Energiewende. Am gleichen Ort bündelten europäische Forschungs­partner im Rahmen des SmILES-Projekts ihr Knowhow, um das Zusammen­spiel verschiedenster Energie­infra­strukturen wie Speicher, Solar und Biomasse für die Energiewende zu verbessern.

Viele Forscher konzen­trierten sich im vergangenen Jahr auf die intelligente Regelung von Energie­strömen. So zeigte eine Studie von IWES-Forschern, dass auch Wind- und Solarparks in Strom­netzen begehrte Regel­leistung bereit­stellen können. Mit Gleichstrom-Technologie auch für die Mittelspannungs­ebene des Stromnetzes könnte laut Siemens-Forschern eine verlust­arme Strom­leitung für Regionen mit hohem Anteil an dezentralen Wind- und Solar­kraft­werken erreicht werden. Im Verbund­­projekt MathEnergy stand die Simulation von Energie­netzen im Mittelpunkt, um dank neuer Software das gesamte Gas- und Stromnetz Deutschlands besser zu steuern.

Rekord-Wirkungsgrade für Solarzellen

Wie schon in den Vorjahren widmeten sich 2017 zahlreiche Forschungs­­institute der Optimierung von Solar­zellen trotz bereits stark gefallener Kosten. So stellte das japanische Solar­unter­nehmen Kaneka in Osaka mit 26,6 Prozent Wirkungs­grad einen neuen Rekord für mono­kristalline Solar­zellen aus Silizium auf. Möglich wurde dies durch Hetero­übergänge und ein spezielles Design der Rück­kontakte. Die günstigeren, poly­kristallinen Silizium-Solarzellen verbes­serten Freiburger Forscher am Fraunhofer ISE und erzielten einen neuen Rekordwert mit 22,3 Prozent Wirkungs­grad. Und das Institut für Solar­energie­forschung Hameln (ISFH) und das National Renewable Energy Labora­tory (NREL) erreichten in Zusammen­­arbeit gar einen Wert von 35,4 Prozent für eine mechanisch gestapelte GaInP/GaAs/Si-Dreifach­zelle. Über die Steigerung der Licht­absorption könnten diese Werte in Zukunft weiter steigen. Am Karls­ruher Institut für Tech­no­logie KIT gelang es auf diesem Weg, spezielle Nano­­struk­turen – inspiriert von Schmetter­lingsflügel – auf Solar­zellen zu über­tragen und deren Licht-Absorp­tions­­rate zu verdoppeln. Doch auch über die Singulett-Spaltung in Pentacen-Dimeren könnte in Zukunft deutlich mehr Energie aus Solarmodulen heraus­geholt werden, wie eine Studie von Physikern der Friedrich-Alexander-Uni­versität Erlangen-Nürnberg zeigte.

Abb.: Nanostrukturen auf dem Flügel von Pach­li­opta aristo­lo­chiae lassen sich auf Solar­zellen über­tragen und steigern deren Absorp­tions­raten um bis zu zwei­hundert Prozent. (Bild: R. H. Siddique, KIT / Caltech)

Anwendungen von PV-Modulen über Solar­kraftwerke hinaus verzeich­neten ebenfalls deutliche Fort­schritte. In smarte Fassaden integrierte fexible Solar­zellen könnten die Strom­versorgung von Gebäuden in Zukunft unterstützen. Über durch­sichtige Solar­paneelen aus lumines­zierenden Solar­konzentratoren sollen Fenster­­flächen für die Strom­­erzeu­gung nutz­bar gemacht werden. Die Kopplung mit dem Verkehrs­sektor hatten Forscher am Fraun­hofer-Institut für Solare Energie­systeme ISE in Freiburg mit Solar­dächern für Sattel­schlepper im Blick, um den Treibstoff­bedarf von Nutz­fahrzeugen effizient zu senken. Und sogar eine am KIT entwickelte Solarbrille versorgte mit halbtrans­parenten organischen Solar­zellen in Brillen­gläsern einen Mikro­pro­zessor mit Energie. Ebenfalls ohne Silizium kommen neuen Perowskit-Solarzellen aus, die in zahlreichen Laboren stetig verbessert werden. Mit Nano­streifen als Transport­pfade für Ladungen gelang es KIT-Forschern die Prozesse in einer Perowskit-Zelle genauer zu verstehen, um ihre Halt­barkeit bald verlängern zu können. Weitere Fort­schritte sind auch in den kommenden Jahren zu erwarten, nicht zuletzt mit dem „Zentrum für höchst­effiziente Solarzellen“, dessen Grundstein 2017 in Freiburg gelegt wurde.

Forschungsboom bei Batterien

Der große Elan der Photo­voltaik-Forschung wurde 2017 von der Entwicklung neuer Batterien noch überflügelt. Höhere Speicher­kapazitäten, schnellere Lade­zeiten und längere Lebens­dauern sollen nicht nur neue Lithium-Ionen-Akkus erreichen, die mit einem neuen Schnelltest der Tech­­nischen Univer­­sität München TUM untersucht werden können. Günsti­gere Batterien auf Lithium-Schwefel-Basis könnten schon bald den Weg zur Anwendung finden. Am Paul-Scherrer-Institut PSI in Villigen konnte mit Quarz der allzu schnelle Verlust an Lade­kapazität gezügelt werden. Am Fraun­hofer-Institut für Werkstoff- und Strahl­technik IWS In Dresden ließ sich die Anzahl der Ladezyklen mit einem neuen Anoden- und Zellkonzept für Lithium-Schwefel-Batterien steigern. Forscher des U.S. Naval Research Labora­tory in Washing­ton arbei­teten gar an einer Renais­­sance von zink­­basierten Batte­rien. Dank poröser Zink­­schäume gelang die Entwicklung einer Nickel-Zink-Batterie zum Wieder­aufladen. Mit Anoden aus Silizium sollen auch Lithium-Ionen-Akkus mit höherer Leistungsdichte länger leben als derzeit. Korea­nische Forscher am Korea Advanced Institute of Science and Tech­nology in Daejeon nutzten dazu Polyro­taxan-Molekülen mit rollen­artigen Strukturen, mit denen sich eine Zerstörung des Akkus durch die während der Ladzyklen sich ausdeh­nenden und schrumpfen­den Anode vermeiden ließ.

Abb.: Neue Kathoden für Lithium-Schwefel-Batterien: Die Nanopartikel aus Titanoxid weisen große Poren auf, in denen störende Polysulfide eingeschlossen werden. (Bild: HZB)

Ohne neue Batterien-Chemie bieten herkömm­liche Lithium-Ionen-Akkus noch einiges an Optimierungs­potenzial. Am Fraun­hofer-Institut für Keramische Tech­no­logien und Systeme IKTS in Dresden gelang mit einem Bipolar-Prinzip die Steigerung der Batterie­dichte, um mit Stapelakkus in E-Mobilen bis zu tausend Kilometer Reichweite zu erreichen. Schnellere Ladezeiten hatten Forscher am Institut für Nano­­techno­logie des KIT mit einem neuen Speicher­­material erzielt, das die sehr schnelle und rever­sible Ein­lage­rung von Lithium-Ionen erlaubte. Mit dem organischen Molekül Porphyrin in ihrem Highspeed-Akku konnten sie Speicher­kapazitäten von 130 bis 170 Milli­ampere­­stunden pro Gramm bei einer mitt­leren Spannung von drei Volt – und Be- und Ent­ladungs­­dauern von nur einer Minute messen. Das schnurlose Aufladen im Blick, nutzte ein Physiker­­team an der kali­fornischen Stanford Uni­versity eine induktive Strom­übertragung auf der Basis der Spiegelung- und Zeit­umkehr­symmetrie, kurz PT-Symmetrie, die dadurch sogar unab­hängig von der Entfernung zwischen Akku und Lademodul wurde.

Effiziente Energie­speicher sind aber nicht nur für elektrischen Strom von großer Bedeutung für das zukünf­tige Energie­system. Auch thermische Speicher sollen die Nutzung von erneuer­baren Energien im Wärmesektor voranbringen. Material­forscher in der Schweiz setzten auf konzen­trierte Natronlauge, die sich über Monate oder gar Jahre aufbewahren oder in Tanks zu einem gewünschten Ort transpor­tieren ließe. Bringt man sie mit Wasser (-dampf) in Kontakt, wird die in den Sommer­monaten gespeicherte Wärme wieder freigesetzt. Abwärme von Industrie­­anlagen soll im Rahmen des Projekts GeoSpeicher.bw in unter­irdischen, wasser­­führenden Schichten langfristig gespeichert werden. Die Wärme der Sonnenstrahlung im Sommer könnte effizient in mit Kanälen durch­zogene Beton-Bauteile als solar­thermische Kollektoren bis in den Winter gerettet werden, wie 2017 das Projekt Tabsolar II am Fraun­hofer ISE belegte. Ob nicht flüssige Salze diese Aufgabe besser erledigen können, wird schon bald die DLR-Pilotanlage Tesis zeigen. 2017 eingeweiht, zirkulieren in dem Großpeicher etwa einhundert Tonnen flüssige Salze.

Abb.: In der Testanlage TESIS können Speichertechnologien anwendungsbezogen und in industriellem Maßstab weiterentwickelt werden. (Bild: DLR)

Für die lang­fristige Speicherung von über­schüssigen Strom aus Wind- und Solaranlagen wird Wasser­stoff zunehmend interessanter. So weihten 2017 die H&R Ölwerke Schindler die weltgrößte regelflexible Elektrolyse-Wasserstoff-Anlage ein, die mit einer elek­­trischen Leistung von fünf Megawatt jährlich mehrere hundert Tonnen Wasser­­stoff produzieren kann. Alternativ lässt sich Wasser auch mit Sonnen­kraft direkt spalten. Das Potenzial dieser Methode wird seit 2017 mit der größten solar­chemische Wasser­spaltungs-Anlage in Almería ausgelotet. Günstige und effiziente Nano-Katalysatoren auf Perowskit-Basis – entwickelt am Paul-Scherrer-Institut – könnten die Elektro­lyse von Wasser weiter optimieren. Forscher am Center for Advancing Elec­tronics Dresden an der TU Dresden setzten dagegen auf spezielle Molybdän-Nickel-Kata­lysatoren und Berliner Forscher vom HZB auf Eisen-Nickel-Materialien, um die Effizienz der elektro­lytischen Wasser­spaltung zu erhöhen.

Ob in Zukunft auch Fusions­strom zur Erzeugung von Wasserstoff genutzt wird, lässt sich heute noch nicht sagen. Doch die laufenden Projekte zur technischen Umsetzung der Kernfusion haben 2017 deutliche Fort­schritte gemacht. Der Bau vom Fusions­reaktor ITER verläuft wie geplant ebenso wie erste Plasma­versuche privater Unternehmen. Die Plasma­experimente an der Fusionsanlage Wendelstein 7-X im Max-Planck-Institut für Plasma­physik IPP in Greifswald haben nach längerer Umbau­pause 2017 wieder begonnen. Die zusätz­liche Ausrüstung hatte die Anlage fit für höhere Heizleistung und längere Pulse gemacht. An der National Ignition Facility am Lawrence Liver­­more National Labora­­tory war es einem Forscher­­team gelungen, erst­mals die Wirkungs­quer­schnitte bei der Fusion von je zwei Deuterium- bzw. Tritium­kernen bei Bedin­gungen zu studieren, wie sie im Zentrum masse­reicher Sterne vor­liegen. Und einen völlig neuen Ansatz für eine Kernfusion mit theo­retisch noch höherern Energie­ausbeute schlugen Marek Karliner von der Tel Aviv University und sein Kollege Jonathan L. Rosner von der University of Chicago vor. Ihre Berechnungen zeigten, dass die Neuan­ordnung schwerer Quarks in exotischen Elementar­teilchen eine verblüffend positive Energie­bilanz ermög­lichen könnten.

Blutkreislauf als Kraftwerk

Fusionsreaktoren als den Giganten der Energie­technik standen 2017 auch viele Forts­chritte bei den kleinst­möglichen Kraftwerken gegenüber. So wandelten aus Nano­röhrchen gesponnene und verzwirbelte Garne verblüffend effizient mechanische in elektrische Energie um. Forscher an der University of Texas in Dallas erzielten mit ihren Proto­typen eine hohe, rech­nerische Leistung von bis zu 250 Watt pro Kilogramm. An der chinesischen Fudan Univer­sität erzeugte ein eindimen­sionaler, hoch­effizienter Nano­generator Strom aus flie­ßen­den Medien. Damit ließe sich sogar die Energie des Blut­stroms in Blut­ge­fäßen in Elek­tri­zi­tät um­wandeln.

Abb.: Mikroskopaufname der verdrillten Fasern aus Kohlenstoffnanoröhrchen, die über Dehnungen elektrischen Strom erzeugen können. (Bild: U. Texas)

Superpara­magnetische Nano­teilchen erhöhten in Experimenten an der Wuhan University of Tech­nology, China, die Effi­zienz von Thermo­elektrika, die Tempe­ratur­­diffe­renzen für die Stromer­zeugung nutzten. Und am Zentrum für Material­­forschung Empa in der Schweiz haben Wissen­­schaftler einen dünnen, organischen und elas­tischen Film entwickelt, der Strom produziert, wenn er auseinander­gezogen oder zusammen­gepresst wird. Dieses Gummi-Kraftwerk könnte in der Nähe des Herzens implan­tiert werden, um aus den Herz­­schlägen Strom zu erzeugen. Ebenfalls aus Elas­tomeren aufgebaut, wird eine dehnbare Folie von Fraun­hofer-Forschern am Institut für Silicat­­forschung ISC wohl schneller zur Anwendung kommen, um die mechanische Energie von Wasser­­strömungen in kleinen Flüssen direkt in elek­trische Energie umzu­wandeln.

Jan Oliver Löfken

JOL

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