Späte Geburt eines Kometen
Zusammenstöße als Ursache ungewöhnlicher Formen.
Der seltsam geformte Komet Tschurjumow-
Abb.: Simulation eines Zusammenpralls von Kometen. (Bild: U. Côte d’Azur / U. Bern)
In den Computersimulationen ließ das Forschungsteam große Kometenkerne heftig aufeinanderprallen und untersuchte, was danach geschah. „Die Berechnungen zeigten, dass sich ein großer Teil des Materials in vielen kleineren Körpern ansammelt“, erklärt Martin Jutzi von der Uni Bern. Die neuentstandenen Objekte haben unterschiedliche Größen und Formen, darunter gibt es viele längliche Körper, die zum Teil zweigeteilt sind wie Tschuri.
„Wir waren überrascht, dass bei den gewaltigen Kollisionen offenbar nur ein geringer Teil des Materials beträchtlich komprimiert und erhitzt wird“, sagt Jutzi. Dieses Material fliegt zudem weg und trägt kaum zum Aufbau der verbleibenden kleineren Körper bei, die eine neue Generation von Kometenkernen bilden. Auf der dem Einschlagspunkt gegenüberliegenden Seite des Kometen überstehen flüchtige Stoffe selbst heftige Zusammenstöße. Deshalb hat die neue Kometengeneration ebenfalls eine geringe Dichte und ist reich an flüchtigen Stoffen – Eigenschaften, wie sie bei Tschuri nachgewiesen wurden. Der entenförmige Komet kann also durchaus nach einer heftigen, späten Kollision entstanden sein und muss keineswegs aus der Anfangsphase des Sonnensystems stammen, wie immer wieder behauptet. Denn solche Zusammenstöße könnten auch relativ spät noch stattgefunden haben.
Bereits in früheren Studien waren Jutzi und Willy Benz von der Uni Bern zu dem Schluss gekommen, dass Tschuri seine zweiteilige Form nicht bei der Enstehung unseres Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren erhalten hat. Damals hatten die Forscher gezeigt, dass die Schwachstelle, der dünne „Hals“ zwischen den beiden Teilen, nicht mehrere Jahrmilliarden mit vielen Kollisionen hätte überstehen können. Sie zeigten hingegen, dass Tschuri bei einem vergleichsweise sanften Einschlag entstanden sein könnte. „Jetzt haben wir sehr heftige Zusammenstöße untersucht, bei denen viel mehr Energie involviert ist“, erklärt Jutzi. Die neuen Berechnungen bestätigen die früheren Resultate und erweitern die möglichen Entstehungsszenarien.
Das Forschungsteam untersuchte, was passiert, wenn verschieden große Körper in unterschiedlichen Winkeln mit Geschwindigkeiten von zwanzig bis zu dreitausend Metern pro Sekunde aufeinanderprallen. Die Simulationen zeigten, dass sich kleine Fragmente in den Stunden und Tagen nach der Kollision sanft wieder zu vielen vorübergehenden Ansammlungen zusammenfügen. Die endgültige Form ist oft das Ergebnis von zwei oder mehr größeren Körpern, die mit sehr kleinen Geschwindigkeiten aufeinander treffen und so eine zweiteilige Struktur bilden.
Während der Tagen und Wochen, in denen der Komet seine Form erhalten hat, sammelten sich auf ihm gemäß Simulation weiterhin kleine Teile aus der Umgebung an. In der Realität könnte dieses Material beim Auftreffen auf der Oberfläche flach gedrückt worden sein und so zu einer Schichtstruktur geführt haben. Wenn sich in diesem Stadium zudem große Blöcke anhäufen, werden so möglicherweise Hohlräume geschaffen, die sich zu ausgedehnten Gruben entwickeln können. Genau solche geologischen Strukturen hat die Rosetta-
U. Bern / RK