18.10.2016

Spannung durch Streuung

Optisches Phänomen für elektronische Pro­zesse nach­ge­wiesen.

Theoretisch galt es als möglich, der praktische Beleg aller­dings fehlte: Forscher der Uni Erlangen-Nürn­berg haben erst­mals im Experi­ment nachge­wiesen, dass Elektronen­­ströme ebenso wie Licht an sphärischen und zylindrischen Partikeln elastisch gestreut werden können. Da der Effekt robust ist und auch bei Raum­tempe­ratur zuver­lässig funktio­niert, könnte er die Basis für neue elek­trische Meta­materi­alien und für Bauteile der senso­rischen Steuerung sein.

Der deutsche Physiker Gustav Mie wies vor über hundert Jahren mit einer Suspension von Gold­nano­partikeln nach, dass Licht an kugel­förmigen Objekten elastisch gestreut wird, wenn der Durch­messer der Objekte in etwa der Wellen­länge der Strahlung entspricht. Dieser Mie-Effekt zeigt sich beispiels­weise an Nebel und Wolken, die weiß aussehen, weil das gesamte optische Spektrum des einfal­lenden Lichts in den Tröpfchen des Wasser­dampfs nach vorn gestreut wird. Partikel, die deutlich kleiner sind als die Wellen­länge des Lichts, etwa Luft­moleküle, streuen das hoch­frequente blaue Licht stärker als das nieder­frequente rote – deshalb erscheint der Himmel blau.

Seit Jahren vermuten Wissenschaftler, dass sich der Mie-Effekt auf elek­tro­nische Prozesse über­tragen lässt. „Bezüglich Energie und Impuls verhalten sich Elek­tronen in bestimmten Materi­alien ähnlich wie Licht“, erklärt Vojislav Krsti vonder Uni Erlangen-Nürn­berg. „Aller­dings konnte die Mie-artige Streuung von Elek­tronen bislang nicht nachge­wiesen werden.“ Das ist Krsti und seinen Kollegen jetzt gelungen. Dafür haben die Forscher Metall­scheib­chen mit einer Stärke von etwa fünfzig Nano­metern und hundert Nano­metern Durch­messer auf Graphen aufge­dampft. „Im Grunde haben wir das Mie-Experi­ment in eine zwei­dimen­sionale Anord­nung gebracht“, so Krsti. „Statt der in einer Suspension schwimmenden Gold­partikel haben wir ein symme­trisches Raster aus Titan- und Palladium­scheib­chen verwendet, und die Elek­tronen des zwei­dimen­sionalen Graphens ersetzen die Licht­wellen.“

Die Forscher haben durch die Graphen-Metallraster-Probe einen konstanten Strom fließen lassen, wodurch der Impuls für die Bewegung der Kohlen­stoff-Elek­tronen vorge­geben wurde. Der Grund­gedanke in Ana­logie zur Optik: Durch Streuung der Elek­tronen – die quanten­physi­kalisch auch als Wellen aufge­fasst werden können – an einem Metall­scheib­chen wird eine neue, räumlich symme­trisch fort­laufende Wellen­front erzeugt, die wiederum auf weitere Punkte im Metall­raster trifft. Liegen die Metall­scheib­chen nicht parallel zur Fließ­richtung des Stroms, sondern wie im Experi­ment um dreißig Grad gedreht, dann werden die ent­stehenden Wellen kaskaden­artig zu einer Seite hin abge­lenkt. „Im End­effekt befinden sich – quer zur Strom­richtung gesehen – auf einer Seite mehr Elek­tronen als auf der anderen“, erklärt Krsti. „Und das bedeutet, es liegt eine mess­bare Spannung an.“ Diese Trans­versal­spannung haben Krsti und seine Kollegen zuver­lässig ge­messen und damit den experi­men­tellen Nach­weis erbracht, dass für Ströme aus Elek­tronen mit direkt propor­tionaler Beziehung zwischen Energie und Impuls dieselben Prinzi­pien gelten wie für die Streuung von Licht­wellen an sphä­rischen Objekten.

Besonders wichtig ist den Forschern, dass das Experi­ment sehr robust ist und weder ein Vakuum noch extrem niedrige Tempe­raturen erfordert. „Unsere Ergeb­nisse könnten schon bald die Grund­lage für elek­trische Meta­materi­alien sein – also Materi­alien, die gezielt herge­stellte nicht-lineare elek­trische Eigen­schaften haben und somit schalt­bare band­breitige Strom­frequenz­modula­tionen ermög­lichen“, sagt Krsti. „Darüber hinaus könnte der Effekt für die Ent­wick­lung von umschalt­baren Strom­teilern oder Sensoren genutzt werden – ähnlich den Hall-Sensoren, die bereits heute zuver­lässig als berührungs- und kontakt­lose Signal­geber und Strom­messer arbeiten. Die Phäno­meno­logie ist identisch.“

FAU / RK

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