30.07.2015

Spin-Bahn-Effekt für Sterne

Magnetische Aktivität beeinflusst Umlaufzeit in Stern-Pulsar-Doppelsystem.

Pulsare lassen sich anhand der Bündel aus Radio- und Gammastrahlung beobachten, die sie wie kosmische Leuchttürme ins All senden. Forscher des Max-Planck-Instituts für Gravitations­physik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover haben nun ein Doppel­stern­system mit einem schnell rotierenden Millisekundenpulsar ganz genau vermessen. Die Wissenschaftler analysierten Archiv-Daten des Gamma-Weltraum­teleskops Fermi mit neuen Methoden präziser als zuvor möglich. Dabei entdeckten sie Schwankungen in der Umlaufzeit des wechselwirkenden Doppel­stern­systems, die sich durch magnetische Aktivitäts­zyklen des Begleitsterns erklären lassen.

Abb.: Die magnetische Aktivität des Begleiters beeinflusst die Umlaufzeit im Doppelsternsystem. (Bild: Knispel / AEI / SDO / AIA / NASA)

0FGL J2339.8–0530 ist der Katalogname eines Himmelsobjekts, welches das Large Area Telescope (LAT) an Bord des Fermi Gamma-ray Space Telescope bereits im Jahr 2009 als Quelle intensiver Gammastrahlung identifizierte. Beobachtungen in anderen Wellenlängenbereichen in den Folgejahren legten nahe, dass sich dahinter ein Millisekundenpulsar verbirgt, der mit einem Begleitstern den gemeinsamen Schwerpunkt in etwa 4,6 Stunden umrundet.

Erst im Jahr 2014 konnte man den Pulsar als „PSR J2339–0533“ anhand seiner Radio­strahlung nachweisen. Die Beobachtung im Radio­bereich wird dadurch erschwert, dass der Pulsar mit seinem Begleitstern wechsel­wirkt – er erhitzt seinen Begleiter und verdampft ihn dadurch. So ist das Doppel­stern­system von Gaswolken erfüllt, die die Radiostrahlung absorbieren und den Pulsar zeitweise unsichtbar machen. Um das System vollständig zu charakterisieren, wären regel­mäßige Beobachtungen über mehrere Jahre notwendig.

Die Gammastrahlung von PSR J2339–0533 hingegen durchdringt die Gaswolken und erlaubt so dessen Untersuchung. „Die vom Fermi-LAT registrierten Ankunfts­zeiten der einzelnen Gamma­photonen hängen von den physikalischen Eigenschaften der Sterne und ihrer Bahnen ab“, erläutert Holger Pletsch, Leiter einer unabhängigen Forschungs­gruppe am AEI.

Im Umkehrschluss lässt sich aus der Analyse der Ankunftszeiten eine präzise Vermessung der Doppelsternsystems konstruieren. „Nach den ersten Radio­beobachtungen hatten wir einen Ansatzpunkt, anhand der umfangreichen Fermi-LAT-Archivdaten der letzten sechs Jahre sofort einen hochauflösenden Blick auf das System zu werfen“, sagt Pletsch.

Entscheidend war dabei der Einsatz neuer Analyse-Algorithmen. „Im Gegensatz zu bisherigen Verfahren, die stets die Ankunftszeiten mehrerer Gammaphotonen mitteln und so zeitliche Auflösung verlieren, basiert unsere Methode auf den Ankunftszeiten einzelner Photonen“, sagt Colin Clark, Doktorand in Pletschs Arbeitsgruppe. „Dadurch können wir die physikalischen Eigenschaften des Doppelsternsystems noch genauer ermitteln, vor allem Effekte auf kürzeren Zeitskalen.“

Die Ergebnisse von Pletsch und Clark liefern eine genaue Vermessung von PSR J2339–0533, seinem Begleiter und ihren Bahnen umeinander. Es handelt sich um die erste hochpräzise Vermessung eines solchen wechselwirkenden Doppel­stern­systems mittels der Gammastrahlung eines Millisekundenpulsars. Die Forscher reizen dabei die Zeitauflösung des Fermi-LAT, die etwa bei Mikrosekunden liegt, aufs Äußerste aus.

Die Ergebnisse zeigen eine überraschende Schwankung der Umlaufzeit. „Wir waren erstaunt, dass die Umlaufzeit langsam nach oben und unten um den Mittelwert von 4,6 Stunden schwankt. Die Änderungen liegen in der Größenordnung von wenigen Milli­sekunden, was verglichen mit der Messgenauigkeit von Mikro­sekunden aber enorm viel ist“, sagt Clark. „Das ist so, als würde die Jahreslänge auf der Erde um ein Dutzend Sekunden schwanken.“

Als wahrscheinlichste Ursache erachten die Wissenschaftler winzige Veränderungen in der Form des Begleitsterns, die durch dessen magnetische Aktivität hervorgerufen werden. Ähnlich wie unsere Sonne durchläuft der Begleiter demnach Aktivitäts­zyklen. Das dabei schwankende Magnetfeld wechselwirkt mit dem Plasma im Sterninneren und verformt ihn. Mit der Form des Sterns ändert sich auch sein Gravitations­feld, was wiederum die Bahn des Pulsars beeinflusst und die beobachteten Schwankungen der Umlaufzeit erklärt.

„In der Zukunft kann die Kombination von weiteren Beobachtungen mit optischen Teleskopen uns helfen, den Zusammenhang zwischen Stern­aktivität und Schwankungen der Umlaufzeit zu belegen“, sagt Pletsch. Diese könnte außerdem zum besseren Verständnis des Doppel­stern­system beitragen. „Die Fermi-LAT-Beobachtungen des Pulsars lassen uns gewissermaßen in das Innere des Begleit­sterns blicken. Vielleicht lässt sich damit zukünftig sogar die Art des Magnetfeld-Dynamos im Begleiter ermitteln.“

AEI / DE

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