05.06.2013

Spin-Hall à la Bose-Einstein

Laser-manipuliertes Bose-Einstein-Kondensat zeigt Verhalten, das konzeptionell einem Spin-Transistor entspricht.

Der Spin-Hall-Effekt entsteht durch spinabhängige Kräfte, die senkrecht zur Bewegungsrichtung eines Teilchens auftreten. Ähnlich wie die Lorentzkraft auf geladene Partikel den Hall-Effekt bewirkt, führen Spin-Bahn-Kopplungen zum Spin-Hall-Effekt. Im Gegensatz zum Hall-Effekt treten hier aber für die beiden unterschiedlichen Orientierungen des Spins zwei entgegengesetzte Ströme auf. Der Spin-Hall-Effekt ist zwar schon seit vierzig Jahren bekannt, erlebt zurzeit aber eine neue Blüte dank möglicher Spintronik-Anwendungen. Bislang ist er vor allem in der Halbleiterforschung relevant. Forschern der University of Maryland ist es nun gelungen, den Effekt erstmals auch in einem Bose-Einstein-Kondensat nachzuweisen. Sie konnten das Kondensat über Laser sogar so präzise kontrollieren, dass sich die ultrakalten Atome wie ein „atomtronischer“ Transistor schalten ließen.

Abb.: Rubidium-Atome befinden sich in einer optischen Falle, wo sie an Raman-Strahlen koppeln. Dynamische Kontrolle der Falle erlaubt es, das Bose-Einstein-Kondensat entlang der y-Achse zu bewegen. (Bild: M. C. Beeler et al.)

Die Forscher sperrten hierzu rund 50.000 ultrakalte Rubidium-87-Atome in eine optische Dipol-Falle und bestrahlten sie von beiden Seiten mit Raman-Lasern. Die Wolke aus Rubidium-Atomen maß rund zehn Mikrometer im Durchmesser. Dynamische Kontrolle der optischen Falle erlaubte es den Forschern, das Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen entlang der Strahlachse zu verschieben, was zu einer zeit- und ortsabhängigen Raman-Kopplung und damit zu einer Dispersion der unterschiedlichen Spinorientierungen führte.

Damit gelang es den Wissenschaftlern ein maßgeschneidertes, spin- und raumabhängiges Vektorpotenzial zu erstellen, in dem sich die beiden Spinzustände in unterschiedlichen Minima befanden. Ein effektives Vektorpotenzial ist notwendig, um spinabhängige Lorentzkräfte und damit einen Spin-Hall-Effekt zu erzeugen. Die Forscher beschleunigten dann die Rubidium-Atome sieben Millisekunden lang, was etwa einem Viertel der Einschlusszeit in der optischen Falle entsprach. In dieser Zeit wirkten die Lorentzkräfte senkrecht zur Bewegungsrichtung auf die Atome. Dann schalteten die Forscher die optische Falle innerhalb nur einer Mikrosekunde aus, die Raman-Laser mit rund 500 Mikrometern deutlich später und maßen daraufhin die Verteilung der Atome.


Abb.: Transversaler Impuls der Rubidium-Atome gegenüber dem longitudinalen (blau und rot für die beiden Spinorientierungen, Quelle: M. C. Beeler et al.)

Die experimentellen Ergebnisse entsprachen den theoretischen Erwartungen. Sowohl bei spinpolarisierten Kondensaten wie bei Spin-Mischungen zeigte sich der Spin-Hall-Effekt anhand der gegenläufigen Impulse der beiden Spinorientierungen orthogonal zur Bewegungsrichtung. In Abhängigkeit von der Kopplungsstärke funktioniert der Versuchsaufbau auch wie ein „atomtronischer“ Spintransistor, denn der Spinstrom tritt schlagartig ein, wenn die Raman-Kopplung eine bestimmte Grenze überschreitet. Die Stärke des Spinstroms ergibt sich aus dem Potenzial-Gradienten.

Ein solches System eignet sich nicht nur für Anwendungen wie Magnetfeld- oder Trägheitssensoren. Die Forscher schlagen auch vor, ihren Versuchsaufbau zu erweitern, um den Quanten-Spin-Hall-Effekt in einem Bose-Einstein-Kondensat auf Basis von Kalium-40 zu realisieren.

Dirk Eidemüller

AH

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