Spontane Ströme im Supraleiter
Myonen als Sonde für elektrische Ströme in Strontium-Ruthenat.
Supraleitung weckt den Forschergeist vieler theoretischer und experimenteller Physiker, die daran arbeiten, die Gesetzmäßigkeiten dahinter zu entdecken und zu erklären. Die intensive Forschung an Supraleitern wird aber auch von der Möglichkeit neuer Anwendungen in der Energie- und Antriebstechnik getrieben. Besonderes Interesse zieht dabei das Material Strontium-Ruthenat auf sich, das bereits seit über 25 Jahren weltweit intensiv erforscht wird.
In Strontium-Ruthenat geht Supraleitung einher mit spontanen Ringströmen, die anders als normale Ströme in Metalldrähten oder Supraströme in konventionellen Supraleitern als Eigenschaft des Grundzustands auftreten – vergleichbar mit der Elektronenbewegung in Atomorbitalen, im Supraleiter allerdings verursacht durch kollektive Bewegung vieler Elektronen. Da diese besondere Art der Supraleitung mit spontanen Strömen auch für Quantencomputing relevant ist, könnte Strontium-Ruthenat für zukünftige Anwendungen der Supraleitung bedeutsam sein.
Ein internationales Forscherteam hat jetzt Myonen als Sonde verwendet, um diese subtilen elektrischen Ströme in supraleitendem Strontium-Ruthenat anhand der resultierenden Magnetfelder experimentell nachzuweisen. Dabei hat sich gezeigt, dass bei einachsigem Druck auf Strontium-Ruthenat die spontanen Ströme bei einer niedrigeren Temperatur einsetzen als die Supraleitung. Mit anderen Worten, der Übergang spaltet sich in zwei Bereiche auf: erst Supraleitung, dann spontane Ströme.
Eine solche Aufspaltung wurde bisher in keinem anderen Material nachgewiesen, was eine neue Sicht auf die bisherigen theoretischen Modelle erfordert. Die Arbeit war nur möglich durch die technische Entwicklung einer einzigartigen einachsigen Dehnungsapparatur für Myonen-Spinrotationsexperimente.
Leibniz-IFW / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
V. Grinenko et al.: Split superconducting and time-reversal symmetry-breaking transitions in Sr2RuO4 under stress, Nat. Phys., online 4. März 2021; DOI: 10.1038/s41567-021-01182-7 - Institut für Festkörperforschung, Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung, Dresden