Gewöhnliche Gegenstände besitzen ihre Eigenschaften unabhängig voneinander und unabhängig davon, ob wir sie beobachten oder nicht. Der Aufenthaltsort, die Geschwindigkeit oder die Orientierung des magnetischen Moments eines Atoms hingegen kann völlig unbestimmt sein und dennoch stark von Messungen an anderen, auch weit entfernten Atomen abhängen.
Abb.: Mithilfe eines Mikrochips wird eine Wolke von ultrakalten Atomen gefangen und ihre magnetischen Momente miteinander verschränkt. (Bild: U. Basel)
Unter der (falschen) Annahme, dass die Atome ihre Eigenschaften jeweils unabhängig von der Messung und unabhängig voneinander besitzen, lässt sich eine sogenannte Bell-Ungleichung aufstellen. Wird sie durch die Resultate eines Experiments verletzt, folgt daraus, dass die Eigenschaften der Atome voneinander abhängen müssen. Man spricht dann von Bell-Korrelationen zwischen den Atomen. Diese haben auch zur Folge, dass jedes einzelne Atom seine Eigenschaften erst im Moment der Messung erhält – vor der Messung sind diese Eigenschaften nicht nur unbekannt, sondern sie existieren gar nicht.
Forscher um Nicolas Sangouard und Philipp Treutlein von der Universität Basel haben zusammen mit Kollegen aus Singapur solche Bell-Korrelationen nun erstmals in relativ großen Systemen beobachtet, nämlich zwischen 480 Atomen eines Bose-Einstein-Kondensats. Frühere Experimente konnten Bell-Korrelationen mit höchstens 4 Lichtteilchen oder 14 Atomen nachweisen. Ihr Resultat bedeutet, dass die seltsamen Quanteneffekte auch in großen Systemen eine Rolle spielen können.
Um Bell-Korrelationen in einem Vielteilchensystem nachzuweisen, mussten die Forscher zunächst eine neue Methode entwickeln, die ohne eine Messung jedes einzelnen Teilchens auskommt, was jenseits der heutigen Möglichkeiten läge. Dies gelang ihnen mithilfe einer erst seit Kurzem bekannten Bell-Ungleichung. Ihre Methode konnten die Basler Forscher direkt im Labor an kleinen Wolken aus ultrakalten Atomen ausprobieren, die durch Laserlicht auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Darin stoßen die Atome ständig zusammen, sodass sich ihre magnetischen Momente langsam miteinander verschränken. Wenn diese Verschränkung ein gewisses Maß erreicht hat, lassen sich Bell-Korrelationen nachweisen. Autor Roman Schmied erklärt: „Man würde erwarten, dass zufällige Stöße bloß Unordnung verursachen. Doch dadurch werden die quantenmechanischen Eigenschaften der Atome so stark miteinander verknüpft, dass sie die klassische Statistik verletzen.”
Konkret wird zuerst jedes der Atome in eine quantenmechanische Überlagerung zweier Zustände gebracht. Nachdem die Atome dann durch Stöße miteinander verschränkt wurden, zählen die Forscher, wie viele der Atome nun tatsächlich in jedem der beiden Zustände sind. Diese Aufteilung schwankt von Versuch zu Versuch zufällig. Wenn nun diese Schwankungen unter eine bestimmte Schwelle fallen, scheint es, als ob die Atome miteinander eine „Abmachung” getroffen hätten, wie das Messergebnis auszufallen habe; diese Abmachung beschreibt genau die Bell-Korrelationen.
Die vorgestellte Arbeit, die im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts Quantenwissenschaften und -technologie (NCCR QSIT) gefördert wurde, könnte neue Möglichkeiten in der Quantentechnologie erschließen, etwa um Zufallszahlen zu erzeugen oder um Daten abhörsicher zu übertragen. Außerdem öffnen sich neue Perspektiven für die Grundlagenforschung: „Bell-Korrelationen in Vielteilchensystemen sind ein weitgehend unerforschtes Gebiet und es ist noch nicht absehbar, was sich alles daraus entwickeln wird – wir betreten mit unseren Experimenten Neuland”, so Philipp Treutlein.
U. Basel / DE