Die meisten Sterne verändern sich viel zu langsam, als dass man ihre Entwicklung während eines Menschenlebens beobachten könnte. „SAO 244567 bildet eine Ausnahme. Er ist eines der seltenen Beispiele von Sternen, die es uns erlauben, die Sternentwicklung in Echtzeit mitzuerleben“, erklärt Nicole Reindl von der Uni Tübingen. Zwischen 1971 und 1990 hat sich die Temperatur des Sterns verdoppelt. Der Stern ist dabei so heiß geworden, dass er seine früher abgestoßene Hülle ionisiert hat.
Abb.: Der 2700 Lichtjahre entfernte Stingray-Nebel. Im Zentrum des Nebels befindet sich der Stern SAO 244567, der sich schnell entwickelt. (Bild: ESA/NASA)
Dieser leuchtende Nebel wird aufgrund seiner Form als Stingray-Nebel bekannt – Stingray ist das englische Wort für Stachelrochen. Während ihrer Doktorarbeit in Tübingen analysierte Reindl sämtliche Beobachtungen von SAO 244567 die vergangenen Jahrzehnte. Sie fand heraus, dass der Stern 2002 seine Höchsttemperatur von 60.000 Kelvin erreicht hat, das waren 40.000 Kelvin mehr als dreißi Jahre zuvor. „Der rasche Anstieg der Temperatur hätte sich erklären lassen, wenn SAO 244567 anfangs die drei- oder vierfache Masse unserer Sonne gehabt hätte“, sagt Reindl. „Jedoch deuten sowohl die relativ hohe Oberflächenschwerebeschleunigung als auch die chemische Zusammensetzung des Sterns klar auf eine Anfangsmasse von nur etwa einer Sonnenmasse hin.“ Sterne mit solch geringer Masse entwickeln sich normalerweise jedoch auf sehr viel längeren Zeitskalen, weshalb Astronomen die schnelle Aufheizung von SAO 244567 ein Rätsel blieb.
Reindl und ihre Kollegen schlugen 2014 eine Theorie vor, die zugleich die schnelle Entwicklung wie auch die geringe Masse des Sterns erklären könnte. Sie spekulierten, dass ein später thermischer Puls – eine erneute Zündung der Heliumschale, die sich außerhalb des Sternenkerns befindet – die rasche Erhitzung verursacht hat. Dieses Szenario machte klare Vorhersagen über die weitere Entwicklung des Sterns: Wäre diese Heliumfusion wirklich vor Kurzem entfacht worden, dann würde dies den Stern dazu bringen, sich wieder abzukühlen und zu expandieren. Er würde in eine frühere Entwicklungsphase zurückkehren, den asymptotischen Riesenast. Falls nicht, hätte sich der Stern weiter aufheizen und kontrahieren müssen, bis schließlich seine nuklearen Brennvorräte aufgebraucht gewesen wären. In diesem Fall hätte er als weißer Zwerg geendet.
Um ihre Theorie über den späten thermischen Puls zu belegen, nahm Reindl Daten mit dem Cosmic Origins Spektrograph an Bord des Weltraumteleskops Hubble auf. Die Analyse dieser Spektren erfolgte mit einem Computer-Programm, das über Jahrzehnte an der Uni Tübingen entwickelt wurde und Modelle von Sternatmosphären berechnet. Es ermöglichte, die Eigenschaften heißer Sterne genau zu bestimmen. Die Ergebnisse der Analyse bestätigte nun das in der Theorie vorhergesagte Entwicklungsszenario: Die Temperatur von SAO 244567 hat deutlich abgenommen und der Stern hat sich ausgedehnt. „Der Zentralstern des Stingray-Nebels ist nicht das einzige Beispiel für einen sich schnell entwickelnden Stern. Jedoch ist es das erste Mal, dass ein solcher Stern in dieser speziellen Phase beobachtet wurde“, so Reindl. Allerdings ließen sich mit den bisherigen Rechnungen zur Sternentwicklung noch nicht alle Aspekte des Verhaltens von SAO 244567 erklären. Reindl stellt klar: „Wir brauchen verbesserte Rechnungen, um die genaue Natur von SAO 244567 zu entschlüsseln. Darüber könnten wir nicht nur mehr über diesen Stern erfahren, sondern generell über die Entwicklung von Zentralsternen planetarischer Nebel.“
AKU / RK