14.09.2016

Sternentwicklung in Echtzeit

Temperatur des Zentralsterns im Stingray-Nebel hat sich in zwanzig Jahren ver­doppelt.

Die meisten Sterne verändern sich viel zu langsam, als dass man ihre Ent­wick­lung während eines Menschen­lebens beob­achten könnte. „SAO 244567 bildet eine Aus­nahme. Er ist eines der sel­tenen Bei­spiele von Sternen, die es uns er­lauben, die Stern­ent­wick­lung in Echt­zeit mit­zu­er­leben“, erklärt Nicole Reindl von der Uni Tübingen. Zwischen 1971 und 1990 hat sich die Tempe­ratur des Sterns ver­doppelt. Der Stern ist dabei so heiß geworden, dass er seine früher abge­stoßene Hülle ioni­siert hat.

Abb.: Der 2700 Lichtjahre entfernte Sting­ray-Nebel. Im Zentrum des Nebels befindet sich der Stern SAO 244567, der sich schnell ent­wickelt. (Bild: ESA/NASA)

Dieser leuchtende Nebel wird aufgrund seiner Form als Sting­ray-Nebel bekannt – Stin­gray ist das eng­lische Wort für Stachel­rochen. Während ihrer Doktor­arbeit in Tübingen analy­sierte Reindl sämt­liche Beob­ach­tungen von SAO 244567 die ver­gan­genen Jahr­zehnte. Sie fand heraus, dass der Stern 2002 seine Höchst­tempe­ratur von 60.000 Kelvin er­reicht hat, das waren 40.000 Kelvin mehr als dreißi Jahre zuvor. „Der rasche Anstieg der Tempe­ratur hätte sich er­klären lassen, wenn SAO 244567 an­fangs die drei- oder vier­fache Masse unserer Sonne ge­habt hätte“, sagt Reindl. „Jedoch deuten sowohl die relativ hohe Ober­flächen­schwere­be­schleu­ni­gung als auch die chemische Zusammen­setzung des Sterns klar auf eine Anfangs­masse von nur etwa einer Sonnen­masse hin.“ Sterne mit solch geringer Masse ent­wickeln sich normaler­weise jedoch auf sehr viel längeren Zeit­skalen, weshalb Astro­nomen die schnelle Auf­heizung von SAO 244567 ein Rätsel blieb.

Reindl und ihre Kollegen schlugen 2014 eine Theorie vor, die zugleich die schnelle Ent­wick­lung wie auch die geringe Masse des Sterns er­klären könnte. Sie speku­lierten, dass ein später thermi­scher Puls – eine erneute Zündung der Helium­schale, die sich außer­halb des Sternenk­erns be­findet – die rasche Er­hitzung ver­ur­sacht hat. Dieses Szenario machte klare Vor­her­sagen über die weitere Ent­wick­lung des Sterns: Wäre diese Helium­fusion wirklich vor Kurzem ent­facht worden, dann würde dies den Stern dazu bringen, sich wieder ab­zu­kühlen und zu expan­dieren. Er würde in eine frühere Ent­wick­lungs­phase zurück­kehren, den asymp­to­tischen Riesen­ast. Falls nicht, hätte sich der Stern weiter auf­heizen und kontra­hieren müssen, bis schließ­lich seine nukle­aren Brenn­vor­räte auf­ge­braucht gewesen wären. In diesem Fall hätte er als weißer Zwerg geendet.

Um ihre Theorie über den späten thermischen Puls zu belegen, nahm Reindl Daten mit dem Cosmic Origins Spektro­graph an Bord des Welt­raum­tele­skops Hubble auf. Die Analyse dieser Spektren er­folgte mit einem Computer-Pro­gramm, das über Jahr­zehnte an der Uni Tübingen ent­wickelt wurde und Modelle von Stern­atmo­sphären be­rechnet. Es er­mög­lichte, die Eigen­schaften heißer Sterne genau zu be­stimmen. Die Ergeb­nisse der Analyse bestä­tigte nun das in der Theorie vor­her­ge­sagte Ent­wick­lungs­szenario: Die Tempe­ratur von SAO 244567 hat deut­lich abge­nommen und der Stern hat sich aus­ge­dehnt. „Der Zentral­stern des Sting­ray-Nebels ist nicht das einzige Bei­spiel für einen sich schnell ent­wickelnden Stern. Jedoch ist es das erste Mal, dass ein solcher Stern in dieser speziellen Phase beob­achtet wurde“, so Reindl. Aller­dings ließen sich mit den bis­herigen Rech­nungen zur Stern­ent­wick­lung noch nicht alle Aspekte des Ver­haltens von SAO 244567 er­klären. Reindl stellt klar: „Wir brauchen ver­besserte Rech­nungen, um die genaue Natur von SAO 244567 zu ent­schlüsseln. Darüber könnten wir nicht nur mehr über diesen Stern er­fahren, sondern generell über die Ent­wick­lung von Zentral­sternen plane­ta­rischer Nebel.“

AKU / RK

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