Sterneruption macht Schneegrenze sichtbar
Übergangszone von gasförmigem zu festem Wasser dynamischer als gedacht.
Als „Schneegrenze“ bezeichnen Astronomen die Region in einer protoplanetarischen Scheibe um einen entstehenden Stern, in der für eine flüchtige Substanz die Kondensationstemperatur erreicht wird. Solche Schneegrenzen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Planeten, da die Bildung von Eis auf Staubpartikeln diese bei Kollisionen aneinander haften lässt und so zur raschen Bildung größerer Körnchen führt. Während die Schneegrenze von Kohlenmonoxid bereits bei mehreren Sternen direkt beobachtet werden konnte, ist dies für die Schneegrenze von Wasser bislang nicht gelungen.
Abb.: ALMA-Aufnahme der Staubscheibe um den Protostern V883 Orions. Am abrupten Übergang vom hellen inneren zum schwächer leuchtenden äußeren Teil der Scheibe verläuft die Schneegrenze für Wasser. (Bild: L. A. Cieza et al. / NPG)
Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Kondensationstemperaturen – 20 Kelvin für Kohlenmonoxid und 150 Kelvin für Wasser bei den typischen Druckverhältnissen in einer protoplanetarischen Scheibe um einen Stern ähnlich der jungen Sonne. Der typische Abstand der Schneegrenze von Kohlenmonoxid liegt dann bei 30 Astronomischen Einheiten, für Wasser jedoch bei 5 Astronomischen Einheiten. Und das ist selbst mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array ALMA nicht auflösbar.
Lucas Cieza von der Universität Diego Portales in Santiago de Chile und seinen Kollegen kam jetzt der Zufall zu Hilfe. Mit der internationalen Radio-Teleskopanlage ALMA in der chilenischen Atacama-Wüste beobachtete das Forscherteam den Protostern V883 Orionis während eines Strahlungsausbruchs, der durch die zeitweise Erhöhung der Materieakkretion auf den entstehenden Stern ausgelöst wurde. Zwar konnten Cieza und seine Kollegen trotzdem die Schneegrenze von Wasser nicht direkt sehen. Doch die ALMA-Beobachtungen zeigen einen abrupten Übergang in der Emission von Staub in einer Entfernung von 42 Astronomischen Einheiten, der mit theoretischen Vorhersagen für die Schneegrenze von Wasser übereinstimmt. Der Strahlungsausbruch hat also, so folgern die Forscher, die Schneegrenze weit nach außen geschoben und damit zumindest indirekt sichtbar gemacht.
Damit ist der Verlauf der Schneegrenzen für flüchtige Substanzen offenbar sehr viel dynamischer als bislang angenommen. Die Zeitskala für durch Schwankungen der Materieakkretion ausgelöste Strahlungsausbrüche ist mit Jahrzehnten bis Jahrhunderten sehr viel kürzer als die Jahrmillionen währende Zeitskala der Planetenentstehung. Solche Eruptionen können also immer wieder die Bildung von Eis auf Staubpartikeln unterbinden und so die Evolution größerer Körper verlangsamen. Modelle der Planetenentstehung müssten folglich Eruptionen und die damit verbundene Dynamik der Schneegrenzen berücksichtigen, so Cieza und seine Kollegen.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Weitere Beiträge
JOL