13.07.2016

Sterneruption macht Schneegrenze sichtbar

Übergangszone von gasförmigem zu festem Wasser dynamischer als gedacht.

Als „Schneegrenze“ bezeichnen Astronomen die Region in einer proto­planetarischen Scheibe um einen entstehenden Stern, in der für eine flüchtige Substanz die Kondensations­temperatur erreicht wird. Solche Schnee­grenzen spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Planeten, da die Bildung von Eis auf Staub­partikeln diese bei Kol­lisionen aneinander haften lässt und so zur raschen Bildung größerer Körnchen führt. Während die Schneegrenze von Kohlen­monoxid bereits bei mehreren Sternen direkt beobachtet werden konnte, ist dies für die Schnee­grenze von Wasser bislang nicht gelungen.

Abb.: ALMA-Aufnahme der Staubscheibe um den Protostern V883 Orions. Am abrupten Übergang vom hellen inneren zum schwächer leuchtenden äußeren Teil der Scheibe verläuft die Schneegrenze für Wasser. (Bild: L. A. Cieza et al. / NPG)

Der Grund dafür liegt in den unter­schiedlichen Konden­sationstem­peraturen – 20 Kelvin für Kohlenmonoxid und 150 Kelvin für Wasser bei den typischen Druck­verhältnissen in einer protoplanetarischen Scheibe um einen Stern ähnlich der jungen Sonne. Der typische Abstand der Schnee­grenze von Kohlen­monoxid liegt dann bei 30 Astronomischen Einheiten, für Wasser jedoch bei 5 Astro­nomischen Einheiten. Und das ist selbst mit dem Atacama Large Milli­meter­/Sub­millimeter Array ALMA nicht auflösbar.

Lucas Cieza von der Universität Diego Portales in Santiago de Chile und seinen Kollegen kam jetzt der Zufall zu Hilfe. Mit der inter­nationalen Radio-Teleskop­anlage ALMA in der chile­nischen Atacama-Wüste beobachtete das Forscher­team den Protostern V883 Orionis während eines Strahlungs­ausbruchs, der durch die zeitweise Erhöhung der Materie­akkretion auf den entstehenden Stern ausgelöst wurde. Zwar konnten Cieza und seine Kollegen trotzdem die Schnee­grenze von Wasser nicht direkt sehen. Doch die ALMA-Beobach­tungen zeigen einen abrupten Übergang in der Emission von Staub in einer Entfernung von 42 Astro­nomischen Einheiten, der mit theore­tischen Vorher­sagen für die Schnee­grenze von Wasser übereinstimmt. Der Strahlungs­ausbruch hat also, so folgern die Forscher, die Schnee­grenze weit nach außen geschoben und damit zumindest indirekt sichtbar gemacht.

Damit ist der Verlauf der Schnee­grenzen für flüchtige Substanzen offenbar sehr viel dynamischer als bislang angenommen. Die Zeitskala für durch Schwan­kungen der Materie­akkretion ausgelöste Strahlungs­ausbrüche ist mit Jahr­zehnten bis Jahr­hunderten sehr viel kürzer als die Jahr­millionen währende Zeitskala der Planeten­entstehung. Solche Eruptionen können also immer wieder die Bildung von Eis auf Staub­partikeln unterbinden und so die Evolution größerer Körper verlangsamen. Modelle der Planeten­entstehung müssten folglich Eruptionen und die damit verbundene Dynamik der Schnee­grenzen berück­sichtigen, so Cieza und seine Kollegen.

Rainer Kayser

JOL

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