Sternverschmelzung ohne Explosion
Entwarnung für den doppelten weißen Zwerg Henize 2-428.
Zu einer thermonuklearen Supernova – auch als Supernova vom Typ Ia bezeichnet – kann es kommen, wenn ein weißer Zwerg zusätzliche Masse erhält. Die Zusatzmasse strömt entweder von einem zweiten Stern auf den weißen Zwerg oder kommt zur Verschmelzung mit einem weiteren weißen Zwerg. Weil bei einer solchen Explosion immer die gleiche Energiemenge freigesetzt wird, werden Supernovae vom Typ-Ia zur Messung astronomischer Entfernungen verwendet. Welche Vorläufersysteme zu dieser Art von Explosionen führen, ist noch völlig unklar. Daher wird mit großem Aufwand nach solchen Systemen gesucht.
Als einzig sicherer Kandidat für ein Vorläufersystem galt bislang das Sternsystem Henize 2-428 im Sternbild Adler, das aus einem Paar weißer Zwerge besteht, die sich in einem geringen Abstand alle vier Stunden umkreisen. Die beiden Sterne sind sich so nah, dass sie eine gemeinsame Hülle besitzen. Im Jahr 2015 behauptete ein Forscherteam, die Gesamtmasse der beiden Sterne betrage etwa das 1,8-fache der Masse unserer Sonne. Bei dieser Masse könnte eine Supernova vom Typ-Ia ausgelöst werden. Eine sorgfältige Neuanalyse des Sternsystems durch ein internationales Team von Astronomen unter der Leitung von Nicole Reindl von der Uni Potsdam kommt jetzt jedoch zu einem anderen Ergebnis: Die Gesamtmasse des Systems wurde demnach bislang erheblich überschätzt und die Fusion der beiden Sterne führt nicht zu einer Supernova-Explosion.
„Bei der Analyse der Beobachtungen von Zentralsternen in planetarischen Nebeln muss man sehr vorsichtig sein“, erläutert Reindl, „Nicht nur das Material des umgebenden Nebels kann zu einer Verfälschung der Messergebnisse führen, sondern auch das Gas, das sich zwischen uns und den Sternen befindet.“ Planetarische Nebel sind die sich ausdehnenden, leuchtenden Schalen ionisierten Gases, die Sterne am Ende ihres Lebens ausstoßen. Durch die Modellierung dieser Nebelbeiträge und des interstellaren Gases konnte das Team zeigen, dass die Gesamtmasse des Systems eine Sonnenmasse nur geringfügig überschreitet, also viel zu niedrig ist, um eine Supernova-Ia-Explosion hervorzurufen. Somit ist der Wettlauf um die Entdeckung eines definitiven Supernova-Typ-Ia-Vorläufersystems wieder eröffnet.
Aus der Verschmelzung der beiden Sterne könnte stattdessen ein neuer Stern mit einer exotischen atmosphärischen Zusammensetzung entstehen. „Solche exotischen Sterne finden wir immer mal wieder, und sie sind nicht sehr gut verstanden“, erklärt Reindl. Das Team hofft nun, dass ihre Arbeit auch die Untersuchung dieser Art von Sternen vorantreiben wird.
U. Potsdam / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
N. Reindl et al.: An in-depth reanalysis of the alleged type Ia supernova progenitor Henize 2−428, Astron. Astrophys. 638, A93 (2020); DOI: 10.1051/0004-6361/202038117 - Stellare Astrophysik, Institut für Physik und Astrophysik, Universität Potsdam