Stimmgabel aus Quarz zeigt wo's hakelt
Die atomare Oberflächenstruktur beeinflusst die Richtung von Reibungskräften.
Die atomare Oberflächenstruktur hat einen wesentlichen Einfluss auf die Richtung von Reibungskräften. Dies haben Wissenschaftler der Universität Regensburg durch ein besonderes Messverfahren nachweisen können. Die Ergebnisse der Forscher um Prof. Dr. Franz J. Gießibl vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik sind jetzt, mit Unterstützung eines Teams um Dr. Pavel Jelinek von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag, in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ veröffentlicht worden.
Schätzungen zufolge wird ein Drittel der gesamten Energie, die auf der Welt verbraucht wird, zur Überwindung von Reibungswiderstand aufgewendet. Vor diesem Hintergrund ist die Erforschung des Phänomens der Reibung von großem Interesse. Dies gilt auch für ihre Richtungsabhängigkeit: Schon beim Streicheln einer Katze stellt man fest, dass die Reibung von der Richtung abhängt – mit dem Strich geht es einfacher als dagegen. Bei der Untersuchung der Richtungsabhängigkeit von Reibung im atomaren Bereich standen Forscher allerdings lange Zeit vor einem Problem. So mussten die Messungen in der Regel mehrmals wiederholt werden, um zu klären, ob die Beobachtungen das Resultat der zu untersuchenden Probe sind, und nicht der Messspitze, die die Probe untersucht.
Abb.: qPlus Lateralkrafsensor basierend auf einer Stimmgabel aus Quarz für höchstauflösende Rasterkraftmikroskopie. (Bild: UR)
Die Regensburger Forscher haben deshalb ein besonderes Messverfahren entwickelt. Dabei wird eine Siliziumoberfläche von einer Sonde abgetastet, die sich parallel zur Oberfläche bewegt. Für die mechanische Abtastung der Oberfläche nutzten die Forscher einen speziellen qPlus-Lateralkraftsensor, der auf der Stimmgabel einer Quarzuhr basiert und die Sondenspitze in Schwingungen versetzt. Die Sondenspitze kommt bei diesem Verfahren nicht mit der Oberfläche in Kontakt.
Die Siliziumatome auf der Oberfläche wurden zudem in Pärchen bzw. sogenannten Dimeren auf unterschiedlich hohen Ebenen angeordnet – ähnlich einem Schaukelpferd. Die „atomaren Schaukelpferdchen“ ließen sich leichter in Längs- als in Querrichtung auslenken, wie von den Regensburger Experimentalphysikern gezeigt und durch Berechnungen der Prager Forscher bestätigt wurde.
Abb.: Prinzipskizze der Reibwertbestimmung mittel qPlus Lateralkraftsensor. (Bild: UR)
Die Messung der Richtungsabhängigkeit von Reibungskräften stellt eine besondere Herausforderung dar. Eine oszillierende Messspitze bestimmt die Querkräfte zwischen einer atomar scharfen Spitze und einer Siliziumoberfläche. Die Oberflächenatome verbinden sich zu Zweiergruppen, welche sich ähnlich wie Schaukelpferdchen leichter in Längs- als in Querrichtung auslenken lassen. Die „atomaren Schaukelpferdchen“ drehen sich um 90 Grad, wenn man eine atomare Stufe überwindet. Dies erlaubt die präzise Messung der Querkräfte, wobei die Messspitze immer in die gleiche Richtung schwingt.
Abb.: Schematische Dastellung der Siliziumoberfläche. Ihr besonderer Aufbau erlaubt den direkten Vergleich der Reibungskräfte in zwei verschiedene Richtungen. (Bild: UR)
Auf diese Weise waren die Wissenschaftler in der Lage, Reibungskräfte in zwei verschiedene Richtungen (parallel und senkrecht zu den „atomaren Schaukelpferdchen“) direkt miteinander zu vergleichen, da sich die Ausrichtung der „atomaren Schaukelpferdchen“ um 90 Grad dreht, wenn die Messspitze auf eine jeweils höhere oder niedrigere Ebene wechselte. Die Forscher stellten so fest, dass die atomare Oberflächenstruktur maßgeblichen Einfluss auf die Richtung der Reibungskräfte hat.
Universität Regensburg / LK